Katholische Kirche diskutiert auf vielen Ebenen über Geschiedene

Prinzip und Praxis

Der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen beschäftigt die katholischen Bischöfe in Deutschland weiter. Am Montag will dem Vernehmen nach auch der Ständige Rat der Bischofskonferenz am Rande seines turnusmäßigen Treffens in Würzburg über das Thema sprechen. Ein Überblick über den Stand der Diskussion.

Autor/in:
Thomas Winkel
 (DR)

Jung gefreit und doch bereut. Horst Seehofer hat das durchgemacht, Christian Wulff auch. Zwei katholische Polit-Promis, die beide nach einer gescheiterten Ehe nochmals geheiratet haben. Für das Kirchenrecht ein klarer Fall: Wer zu Lebzeiten des ersten Partners mit einem neuen Schatz auf dem Standesamt die Ringe tauscht sowie Tisch und Bett mit ihm teilt, lebt in schwerer Sünde. Und darf weder zur Kommunion noch zur Beichte gehen. Das Problem ist weit verbreitet. Mittlerweile enden fast vier von zehn Ehen vor dem Scheidungsrichter.



Auch für Peter und Paula "Normal-Katholik" ist eine zweite Ehe kein Tabu mehr. Immer mehr Pfarrer fordern "mehr Barmherzigkeit" und handeln bereits in eigener Regie. Seelsorgerischen Handlungsbedarf sehen auch einige Bischöfe. Trotz klarer Worte des Papstes gewinnt die Diskussion im deutschsprachigen Raum an Fahrt, auf allen möglichen Ebenen.



Bischöfe uneins

Wegen der Situation vieler Menschen seien Verbesserungen "überfällig", mahnt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sieht auch die Deutsche Bischofskonferenz gefragt: "Wie gehen wir mit einem Scheitern um?" Und der Konferenz-Vorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch sprach hier von einer "Frage der Barmherzigkeit". Das war kurz vor dem Papstbesuch im Herbst und brachte ihm prompt eine kritische Anmerkung des Kölner Kardinals Joachim Meisner ein, der an die Unauflöslichkeit der Ehe erinnerte.



In Österreich und einigen deutschen Bistümern "outen" sich derweil Priester in mehr oder weniger starken Gruppen: In Passau, Freiburg und abgeschwächt in Köln sagen sie öffentlich, dass sie die Kommunion auch Menschen reichen, bei denen es das Kirchenrecht verbietet: wiederverheirateten Geschiedenen. Eine Rolle spielt das Thema ferner in manchem Diözesanrat und beim bundesweiten Dialogprozess der katholischen Kirche.



Sie steckt in einem Dilemma: Wie kann sie an dem Ideal "bis dass der Tod euch scheidet" festhalten - und zugleich eine lebensnahe und glaubwürdige Lösung anbieten, wenn die Ehe doch in die Brüche gegangen ist? Abgesehen von einer Annullierung nach Kirchenrecht, die für die meisten nicht in Frage kommt. Die meisten protestantischen Kirchen sehen das Problem anders. Sie halten es mit einem geflügelten Wort des Reformators Martin Luther - und betrachten die Ehe nur als "weltlich Ding".



Nochmal anders verfahren die orthodoxen Kirchen, die seit langem das Prinzip der "Oikonomia" beherzigen. Das bedeutet so viel wie "kluge Haushaltung" und bezieht sich nicht auf den Regel-, sondern den Ausnahmefall. Dann sind Abweichungen geduldet zwischen Leben und Lehre, zwischen Praxis und Prinzip - im Namen der von Jesus vorgelebten Barmherzigkeit.



Dammbruch befürchtet

Wobei orthodoxe Geistliche Scheidungen keineswegs gutheißen: Auch falls die einstigen Schmetterlinge im Bauch zu Kampfjets geworden sind - wenn eben möglich, sollen die Partner ihre Ehe kitten. Wenn das nicht geht und quasi der "Tod der Ehe" feststeht, ist auch eine zweite, in einigen Kirchen des Ostens sogar eine dritte kirchliche Heirat möglich. Die Zeremonie verläuft allerdings nicht mehr so feierlich und enthält Elemente der Buße. Vor diesem Hintergrund vertreten manche katholischen Theologen die Ansicht, dass auch Rom in Sachen Wiederheirat einen größeren Spielraum gewähren könnte.



Die "Bewahrer" dagegen fürchten einen Dammbruch. Sie treibt die Sorge um, dass allzu häufig angewandte Barmherzigkeit letztlich am Prinzip selbst rüttelt: der Unauflöslichkeit der Ehe. Weil Scheidungen in der westlichen Welt eben alles andere als Einzelfälle sind. Außerdem erinnern sie an das Jesus-Wort "Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen". Anfang Juni betonte Papst Benedikt XVI. erneut, dass wiederverheiratete Geschiedene "nicht die Absolution und die Kommunion empfangen können". Zugleich müssten die Gemeinden dafür sorgen, dass sie sich geliebt und nicht ausgeschlossen fühlten, so der Papst. Ein schwieriger Spagat für Bischöfe, Pfarrer und nicht zuletzt für die betroffenen Paare.