Landesbischof mahnt zu Zuversicht trotz schwachem Rio-Gipfel

"Kein Grund, den Mut zu verlieren"

Die schwachen Ergebnisse des Rio-Gipfels zu nachhaltiger Entwicklung sind für Landesbischof Bedford-Strohm kein Grund, den Mut zu verlieren. "Ich will das nicht schönreden, aber ich möchte nicht, dass die allgemeine Depression einkehrt." Der evangelische Bischof ist Mitglied der deutschen Regierungsdelegation in Rio de Janeiro.

 (DR)

"Wir haben Grund, zuversichtlich zu sein, dass eine Strategie gelingen kann, die andere nachahmen." Natürlich seien die Vereinbarungen der Regierungen zu Green Economy, Umweltschutz und Armutsbekämpfung enttäuschend. "Aber man soll den Erfolg der Konferenz auch nicht nur an dem Dokument festmachen", sagte Bedford-Strohm mit Bezug auf die Schlusserklärung, die die rund 190 Teilnehmerstaaten zum Abschluss an diesem Freitag verabschieden wollen. Der bayerische Bischof begleitet Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) während des Treffens.



Erfolg zeige sich erst im Nachgang

"Der Erfolg der Konferenz wird sich im Grund erst im Nachgang zeigen", betonte Bedford-Strohm. Denn das Umsteuern auf nachhaltiges Wirtschaften könne ohnehin nur gelingen, wenn es in den Herzen der Menschen verwurzelt sei. International könne man mit ökologischen Impulsen nur Erfolg haben, wenn sie mit dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit für die Menschen in den armen Ländern gepaart seien.



"Die armen Länder haben Angst, dass Green Economy ein strategisch geschicktes Programm zur Förderung der Interessen der entwickelten Länder ist, die auch in der Umwelttechnologie führend sind, sagte Bedford-Strohm. "Über dieses Misstrauen müssen wir hinauskommen." Dies könne durch Geld, die Förderung von Forschung oder das Bereitstellen von Patenten geschehen.



"Das effektivste Element ist einfach das Vorbild." Eine Koalition der Willigen sollte laut Bedford-Strohm zeigen, dass es geht: "Eine Wirtschaft zu entwickeln, in der die Menschen gut leben können und die ohne die Zerstörung der Natur auskommt." Wenn die Energiewende in Deutschland gelinge, werde sie ausstrahlen auf andere Länder.



Misereor kritisiert "wachsweiches Abkommen"

Mit Empörung hat dagegen das katholische Hilfswerk Misereor auf den Entwurf eine Abschlusserklärung beim Rio+20-Gipfel reagiert. "Angesichts der rasanten Übernutzung des Planeten auf Kosten der Armen ist es ein Skandal, dass sich die verhandelnden Staaten bereits vor dem eigentlichen Gipfel mit einem wachsweichen Abkommen zufrieden geben wollen. Auch die letzten Reste an verbindlichen Schritten zu nachhaltiger Entwicklung wurden damit fallen gelassen", erklärt Benjamin Luig, Referent für Entwicklungspolitik bei Misereor. Der Bezug zu sozialen Menschenrechten bleibe in dem Dokument eine "hohle Phrase". Bei privaten Unternehmen werde ausschließlich auf Freiwilligkeit gesetzt.



Das Hilfswerk ruft zur Überarbeitung der Schlusserklärung auf. "Sollten die Staatschefs und Minister in den kommenden Tagen diesen Schnellschuss nicht mehr korrigieren, dann beschädigen sie damit den gesamten Rio-Prozess", so Luig.



Umweltminister verteidigt Schlusserklärung

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat den umstrittenen Entwurf für die Schlusserklärung des UN-Nachhaltigkeitsgipfels in Rio de Janeiro verteidigt. Die Erklärung sei "alles andere als armselig", sagte er am Donnerstag im RBB-Inforadio. Es sei dank des Einsatzes der Europäer und Deutschlands möglich gewesen, "die Papiere, die allesamt nicht sehr ehrgeizig waren, noch einmal wesentlich zu verbessern". So werde in dem Text erstmals anerkannt, dass die Weltwirtschaft in eine "Grüne Wirtschaft" umgebaut werden müsse, die schonend mit den natürlichen Lebensgrundlagen umgehe, unterstrich Altmaier.



Bereits zu Beginn des UN-Nachhaltigkeitsgipfels in Rio de Janeiro haben die Grünen das Treffen für gescheitert erklärt. "Der Abschlussbericht ist schon vor dem Gipfel fertig, Frau Merkel fährt erst gar nicht hin - was soll Rio+20 überhaupt noch bringen", fragten die Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir am Mittwoch in Berlin. Aber selbst in der schwarz-gelben Koalition und in der Bundesregierung wurden Zweifel an einem positiven Ausgang des Treffens laut.



20 Jahre nach dem Erdgipfel findet in Brasilien bis Freitag der Nachhaltigkeits-Gipfel der Vereinten Nationen statt. Bereits vor dem offiziellen Beginn der Konferenz verständigten sich die Unterhändler auf eine gemeinsame Erklärung mit einem allgemeinen Bekenntnis zum Prinzip der Nachhaltigkeit.



Grüne erklären Rio-Gipfel für gescheitert

"Das ist ein Rückschritt, den wir uns nicht haben vorstellen können", erklärten die beiden Grünen-Chefs. Das Treffen drohe zu einem "Gipfel der Unverbindlichkeiten" zu werden. Es wäre nun besser, das "Scheitern von Rio" offen einzugestehen und den Abschlussbericht abzulehnen.



Auch in der Regierungskoalition wird die vorzeitige Abschlusserklärung mit Vorbehalt gesehen. Das sei ein einmaliger Vorgang, sagte der umweltpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kauch. Den Inhalt des Papiers bewertete er als "in vielen Punkten sehr vage". Dennoch seien Fortschritte besonders bei der sogenannten Green Economy, beim "Grünen Wirtschaften", zu erkennen. Jetzt müsse das Konferenzergebnis mit Leben gefüllt werden, sagte Kauch.



Agrarministerin warnt vor Gipfel der vertanen Chancen

Bundesagrarministerin Ilse Aigner warnte vor einem Scheitern der UN-Konferenz. "Rio+20 darf nicht zu einem Gipfel der vertanen Chancen werden", sagte die CSU-Politikerin. Gleichzeitig forderte Aigner ein klares Signal von den Partnerländern, "das keiner überhören kann". Das Prinzip der Nachhaltigkeit gehöre fest verankert, die Landwirtschaft spiele dabei eine Schlüsselrolle.



Der Gipfel in der brasilianischen Metropole wird von heftiger Kritik begleitet. Umweltschützer bemängeln, dass in dem Entwurf zur Schlusserklärung nur allgemeine Aussagen zur "Green Economy", dem Schutz der Ozeane und einer möglichen Aufwertung des UN-Umweltprogramms gemacht werden. Organisationen wie Oxfam und Greenpeace sprachen von einem Scheitern.



Entwicklungsminister: Wichtige Wegmarken festgelegt

Entwicklungsminister Niebel erklärte dagegen am Donnerstag: "Die Konferenz hat zumindest wichtige Wegmarken festgelegt." Allerdings müssten diese in den weiteren internationalen Verhandlungen in den nächsten Monaten verfeinert und konkretisiert werden. Dabei sollten die Millenniumsentwicklungsziele zur Halbierung der Armut bis 2015 um Nachhaltigkeitsziele ergänzt werden.



Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung dauert noch bis Freitag. Unter den Teilnehmern sind der französische Präsident François Hollande, der chinesische Premier Wen Jiabao und EU-Kommissionspräsident Juan Manuel Barroso. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihre Teilnahme aus Termingründen abgesagt.



Der Gipfel findet 20 Jahre nach dem legendären "Erdgipfel" in der brasilianischen Metropole statt. 1992 waren wichtige Abkommen zu Klimaschutz, Artenvielfalt und Wüsten auf den Weg gebracht worden.