Experte weist Angriffe von Gentechnik-Lobbyisten gegen Kirche zurück

Die Grüne Mär vom Welthunger

Ein harter Vorwurf: Die katholische Kirche sei am Hungertod von Millionen Kindern schuld. Und kein neuer, sagt Christoph Then. Der Gentechnikgegner erklärt im domradio.de-Interview, wie die Agrogentechnik-Branche seit Jahren auf den Markt drängt und dabei die Kirche instrumentalisieren will.

 (DR)

domradio.de: Wie bewerten Sie den Vorwurf des "Forums Grüne Vernunft", die katholische Kirche sei mit Schuld am Hungertod von Millionen Kindern?

Then: Das ist ein Vorwurf, der in den letzten Jahren von Befürwortern der Gentechnik häufiger vorgetragen wurde. Dahinter erkennbar ist ein bestimmtes Muster: Man versucht auf die Kirchen Druck auszuüben, damit die ihr Einverständnis für den Einsatz der Agrogentechnik erklären. Man erhofft sich, dass die Akzeptanz größer wird und die Produkte schneller auf den Markt kommen. Aber letztlich ist die Agrogentechnik bislang den Beweis schuldig geblieben, überhaupt einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten kann. Hinter diesem Vorwurf steckt schlichter, an den Haaren herbeigezogener Lobbyismus, der nicht den Welthunger, sondern wirtschaftliche Interessen stillen will.



domradio.de: Die katholische Kirche steht Grüner Gentechnik kritisch gegenüber - zu Recht?

Then: In verschiedenen Fällen haben sich bereits gentechnisch veränderte Pflanzen so in der Umwelt ausgebreitet, dass man sie vermutlich nicht mehr zurückholen kann. D.h. man fällt in einem einzelnen Fall sehr weitreichende Entscheidungen. Wenn man beispielsweise gentechnisch veränderten Reis in Asien freisetzt, wird man ihn vermutlich nie wieder vom Acker holen können. Deshalb darf man sich natürlich im Vorfeld kritisch mit dem Thema auseinandersetzen. Viele der Risiken, mit denen wir uns seit Beginn der Agro-Gentechnik auseinandersetzen, sind nach wie vor nicht geklärt. Und hier eine kritische Distanz zu wahren, ist auch im Interesse der Bevölkerung und Umwelt vor Ort.



domradio.de: Hinter dem Vorwurf steckt ja die Aussage, dass der Welthunger mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen bekämpft werden kann? Ist das realistisch?

Then: Bislang ist hier kein Beitrag der Gentechnik zu erkennen. Es gibt den sogenannten "Golden Rice", einen Reis, der mit Vitamin A angereichert wurde. Bisher ist noch nicht klar, ob der technisch dazu überhaupt geeignet ist. Nach wie vor fehlen hier die entscheidenden Daten, obwohl das Projekt schon seit über zehn Jahren verfolgt wird. Mit Gentechnik kann der Welthunger nicht bekämpft werden. Da sind ganz andere Initiativen nötig. Und hier wissen gerade Organisationen wie Misereor, die vor Ort mit den Betroffenen zusammenarbeiten, sehr viel besser Bescheid, was vor Ort benötigt wird, als ein Gentechnik-Konzern, der sein Saatgut verkaufen will.



domradio.de: Warum tut sich diese Initiative aber auch andere Organisationen schwer, die Grüne Gentechnik in Deutschland zu etablieren? Grüne Gentechnik ist in vielen Ländern wie beispielsweise den USA erprobt und auch im Einsatz.

Then: Wenn in den USA Gentechnik angebaut wird, geht es nicht um die Bekämpfung des Welthungers, sondern um die Fortsetzung der industriellen Landwirtschaft mit anderen Mitteln. Da wird gentechnisch veränderte Soja angebaut, die resistent gemacht wurde gegenüber bestimmten Spritzmitteln. Daran kann das Mittel zweimal verdienen: einmal beim Verkauf des Saatgutes und beim Verkauf des Spritzmittels. Der Einsatz von Spritzmitteln ist in den vergangenen Jahren gestiegen, ein wirklicher Nutzen für Länder des Südens aber ist nicht erkennbar. Die Landwirte in den USA Sparen u.U. etwas Geld, weil der Einsatz dieses Soja Arbeitszeit spart, um etwas anderes geht es dabei nicht. Vor diesem Hintergrund kann man die dort gesammelten, zum Teil des negativen Erfahrungen nicht auf eine positive Sicherung der Welternährung übertragen.



domradio.de: Wie müsste man mit der Grünen Gentechnik umgehen?

Then: Man braucht ganz klare Richtlinien: Man darf beispielsweise nichts aussetzen, was man nicht wieder zurückholen kann, wenn es schief geht. Mit technischen Unvorhersehbarkeiten ist immer zu rechnen, die Angelegenheit ist doch sehr komplex: die Biologie in der Zelle, die Beeinflussung des Erbguts mit Hilfe von gentechnischen Konstrukten. Vor diesem Hintergrund sind die Aspekte der Vorsorge und langfristig der Rückholbarkeit wichtig. Wenn man sich so dem Problem nähert, kann man im Labor verschieden Ansätze ausprobieren. Gegen Forschung an sich ist ja nichts zu sagen.



Zur Person: Christoph Then hat viele Jahre als Patent-Experte für die Umweltschutz-Organisation Greenpeace gearbeitet und ist heute Geschäftsführer des "Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie", kurz Testbiotech e.V.



Das Gespräch führte Monika Weiß.