Vor zehn Jahren beginnt Israel den Bau seiner Sperranlage zum Palästinensergebiet

Kein Licht am Ende des Tunnels

Der Kölner Kardinal Meisner erinnerte die "neue Mauer" an die von Berlin, Israel selber sprach vor zehn Jahren von einer zeitlich begrenzten Lösung. Inzwischen sind rund 400 von geplanten 720 Kilometern fertiggestellt. Zaun und Mauer trennen Israelis von Palästinensern - und spalten bis heute die politischen Lager.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

"Den Fehler von 1948 machen wir nicht noch mal. Heute geht keiner mehr, ich nicht und auch meine Söhne nicht. Dies ist unser Land!" Mit ausladender Geste zeigt Omar Al Shananiri auf die Olivenhaine, die sein Haus umgeben. Das hartnäckige Festhalten an seinen 36.000 Quadratmetern Land hat für den dreifachen Familienvater einen hohen Preis: Sein Anwesen befindet sich auf der "falschen" Seite der Sperrzaun-Route, die nach israelischem Willen das Dorf Walajeh bei Bethlehem vollständig umgeben soll. Ein 150 Meter langer Tunnel ist für Familie Shananiri die einzige Verbindung zwischen ihrem Haus auf Jerusalemer Seite und dem Dorf.

Das Fundament für den seit 2006 geplanten Zaunabschnitt ist vorbereitet. Wann genau der Bau weitergeführt wird, weiß Omar nicht. "Ich vermute, sie bauen nur langsam und unregelmäßig weiter, um weniger Aufsehen zu erregen", sagt er. "Künftig ist unser Haus rundherum von einem hohen Elektrozaun umgeben." Von 36.000 bleiben der Familie dann noch 500 Quadratmeter. Vier Mal habe man ihm von israelischer Seite Angebote gemacht, sein Haus zu verlassen, erzählt Omar; vom Blankoscheck bis zur Verdopplung seines Grundbesitzes im Fall des Landtausches. Dass das Ausschlagen der Angebote nicht nur freiwilliger Widerstand gegen die israelische Besatzung ist, verschweigt der Palästinenser.

Deutlicher wird Familie Anastas, deren Haus seit Jahren von der knapp neun Meter hohen Mauer umgeben ist. Weggehen hieße, alles zu verlieren, so die Familie. Denn "verkaufen an Israelis ist ausgeschlossen, das käme einem Todesurteil gleich" - ausgeführt durch die eigenen Landsleute. Für Familie Anastas gehört die Mauer zum Alltag. Durch den Bau seien sie quasi abgetrennt worden: von der Familie, vom Land oberhalb des Hauses, vom Strom der Touristen. Das Dach des eigenen Hauses dürfen sie nicht ohne Genehmigung betreten. Die Weinstöcke im Garten, erklärt Claire Anastas, leiden unter dem permanenten Schatten, den die Mauer auf das Anwesen wirft. Wut und Frustration sind ihr anzumerken. Mehrfach spricht sie von einer "israelischen Mafia", von Apartheid.

Umstrittene Aktion
Sicherheitszaun versus Apartheid-Mauer - die Meinungen auf beiden Seiten sind gemacht. Zaun und Mauer trennen Israelis von Palästinensern und spalten die politischen Lager. Die israelische Linke wehrte sich ebenso gegen den Bau wie Palästinenser und die rechte Siedlerbewegung, die darin eine De-facto-Anerkennung eines Palästinenserstaates sah. Von einer temporären Lösung sprach der damalige Verteidigungsminister und Architekt des Zauns, Benjamin Ben-Eliezer; es gehe allein um Sicherheit, nicht um eine "politische Trennung". Diesen Schutz lässt Israel sich Einiges kosten: pro Kilometer rund 800.000 Euro.

"Großen diplomatischen Schaden" sah der damalige Außenminister Schimon Peres durch den Mauerbau auf Israel zukommen. Als einziger Minister stimmte er gegen die Pläne. Heute ist Peres Staatspräsident - und an dem "Sicherheitsprovisorium" wird weitergebaut. Rund 400 von geplanten 720 Kilometern sind fertiggestellt. Unzählige Klagen wurden seit Beginn der Bauarbeiten vor israelischen Gerichten eingereicht. Mehrfach musste der Verlauf des Sperrwalls verändert werden. Auch das Teilstück zwischen Beit Dschallah und Walajeh ist noch Gegenstand eines Verfahrens. Geklagt haben unter anderem die beiden Salesianer-Gemeinschaften von Cremisan.

Omar Al Shananiri hat sich gegen die Baupläne auf seinem Land gewehrt. Eine Routenänderung oder gar einen Baustopp hat er nicht erreicht. Der Schulweg seiner Söhne zur benachbarten Schule der Salesianerinnen verlängert sich künftig von ein paar Minuten auf über eine halbe Stunde.

Ist die Sperranlage gebaut, darf Familie Shananiri nach 18.00 Uhr keinen familienfremden Besuch empfangen, erklärt Omar. Um seine Olivenhaine zu bestellen, erhält er zweimal im Jahr Zutritt zu seinem Land "auf der anderen Seite". Schon jetzt macht sich Omar morgens um halb sechs auf den Weg, um pünktlich bei der Arbeit im zehn Kilometer entfernten Jerusalem zu sein. Und in Zukunft? Omar zuckt mit den Schultern.