Militärbischof über Verantwortung im Syrienkonflikt

Im Auftrag der Beschützenden

Das syrische Volk braucht dringend mehr Schutz - in diesem Urteil sind sich die Bischöfe Ackermann und Overbeck einig. Doch der Forderung nach besonderen Schutzzonen will Militärbischof Overbeck seinem Amtsbruder nicht uneingeschränkt folgen. "Was heißt das für die Soldaten und für die, die solche Schutzzonen einrichten müssten?", fragt er im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Was halten Sie denn von dem Vorschlag der Schutzzonen für Syrien?

Bischof Overbeck: Bischof Dr. Ackermann hat seine persönliche Sicht der Angelegenheit in seiner Funktion als Vorsitzender von Justita et Pax der Bischofskonferenz kundgetan. Und damit auch  eine differenzierte Einschätzung der Lage in Syrien gezeigt, die notwendig ist. Ich selbst, als katholischer Militärbischof mit einer anderen Aufgabe, will diese Aussage so nicht kommentieren. Es stellt sich aber die Frage: "Was heißt das für das Militär und für die Soldaten und für die, die solche Schutzzonen einrichten müssten?" Da kann ich als Militärbischof nur sagen, das ist eine politische Entscheidung, die da getroffen werden muss. Wichtig ist mir nur deutlich zu machen, dass wir uns in dem Anliegen, dass die Zivilbevölkerung geschützt werden muss, einig sind.



domradio.de: Immer wieder wird auch eine militärische Intervention gefordert. Wie stehen Sie als Militärbischof dazu?

Bischof Overbeck: Ich würde auf jeden Fall zuerst sagen, unabhängig von allem was jetzt geschieht, ist es wichtig, dass alle an diesem innerstaatlichen Konflikt beteiligten Parteien die menschenunwürdigen Zustände so schnell als möglich beenden und sich darauf besinnen, dass die Würde jedes Menschen geachtet wird. Das ist das erste, um was es gehen muss. Dafür sollte die Grundlage immer noch der von Kofi Annan vorgelegte Befriedungsplan sein, um eben ein menschenwürdiges Miteinander zu gewährleisten.



domradio.de: Auch Al-Kaida hat sich eingeschaltet und die Bevölkerung zum bewaffneten Konflikt gegen das Regime aufgerufen. Könnten bei einem militärischen Eingreifen gegen das Regime solche Kräfte womöglich mit unterstützt werden?

Bischof Overbeck: Es ist immer wichtig, dass bei einer solchen Entscheidung die möglichen Konsequenzen bedacht werden. Die letzten Jahren haben gezeigt, dass die extremistischen Kräfte möglicherweise an Boden gewinnen. Ich selber habe daraus schön öfter die Lehre gezogen, dass bei all diesen politischen, militärischen Entscheidungen die Bedeutung der Geschichte und der Religion und ihrer damit verbundenen Komponenten wesentlich deutlicher zu bedenken und in die Mitte zu stellen sind, als das bisher der Fall ist.



domradio.de: Viele warnen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten. Russland und China werden oft als Bremser dargestellt und Amnesty International wirft der Weltgemeinschaft Tatenlosigkeit vor. Sehen Sie irgendeinen gangbaren Weg, den Konflikt vernünftig zu lösen?

Bischof Overbeck: Ich glaube in der Tat, dass wir jetzt erst einmal den Weg gehen sollen, den auch schon die internationale Gemeinschaft gegangen ist und weiterverfolgt, nämlich den Befriedungsplan von Kofi Annan weiter umzusetzen und darauf zu dringen, dass das der Fall ist. Vor allen Dingen mit dem Ziel, zu so viel innerstaatlicher Befriedung zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung nicht weiter so unendlich leidet wie bisher. Auf der anderen Seite müsste aber die Staatengemeinschaft sich noch deutlich dazu äußern, was zu einer friedlichen Lösung beigetragen und zusammengetragen werden könnte.



domradio.de: Und haben Sie die Hoffnung, dass dieser schwere Konflikt noch friedlich zu lösen ist?

Bischof Overbeck: Als Christ bin ich jemand, der sagen muss, die Hoffnung stirbt nicht und die Hoffnung wird auch in diesem Fall nicht sterben. Dass es möglich ist, sage ich vor allem in Hinblick auf die Menschen, die dort leben und für ganz viele, die das mit mir hoffen.



Das Interview führte Mathias Peter (domradio.de)



Hintergrund

Die internationale Gemeinschaft sollte nach Ansicht des Trierer Bischofs Stephan Ackermann in Syrien auf die Einrichtung von Schutzzonen für die Zivilbevölkerung drängen. Besonders für Kinder und alte Menschen sei die Lage in dem Bürgerkriegsland "dramatisch", sagte Ackermann der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Berlin. "Eine humanitäre Intervention ist ernsthaft in Erwägung zu ziehen." Allerdings seien Schutzzonen nur sinnvoll, wenn sie von allen Seiten respektiert würden. Deshalb müsste ihre Einrichtung in ein international akzeptiertes politisches Konzept eingebunden sein. Ackermann kritisierte die Haltung Russlands und Chinas, die ein energischeres Vorgehen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad verhinderten.



Ackermann, Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax, warnte davor, die Frage einer "humanitären Intervention" allein militärisch zu diskutieren. Dies verenge den politischen Blick. Ausgangspunkt sei allein, was der Zivilbevölkerung am meisten nütze. "Das kann am Ende in manchen Fällen dazu führen, dass man auch militärische Mittel in Erwägung zieht." Nach schwerem Versagen etwa in Jugoslawien und Ruanda in den 1990er Jahren sei die Schutzverantwortung der Weltgemeinschaft zum Glück ein fester Bestandteil des politischen Denkens geworden, so Ackermann.



Mit Blick auf die christliche Minderheit in Syrien sagte der Bischof, bei dem Konflikt gehe es vor allem um realpolitische Interessen, "die sich allerdings zunehmend religiös aufladen". Bei einer weiteren Gewalteskalation stehe zu befürchten, dass auch diese Art religiöser Deutungen des Konflikts an Raum gewinnt, "was Verhandlungslösungen mit großer Sicherheit erschwert". Dann könnten auch die syrischen Christen, die sich bisher nicht nennenswert gegen das Assad-Regime engagieren oder es sogar offen unterstützen, als Minderheit in einem islamischen Umfeld gefährlich unter Druck geraten. (kna)