Regierung bringt umstrittene Leistung auf den Weg

Glaubenskrieg um das Betreuungsgeld

Das Kabinett hat das umstrittene Betreuungsgeld auf den Weg gebracht. Die vor allem von der CSU verlangte Regelung sieht Geldleistungen an Eltern vor, die keine staatlich geförderte Betreuung für ihr Kleinkind in Anspruch nehmen. Nach dem Willen der Regierung soll der Bundestag das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Für Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) war Familienpolitik lange Zeit "Gedöns". Doch für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sie eine andere Dimension. Der Streit ums Betreuungsgeld ist zum Glaubenskrieg der Berliner Politik und zu einem Zankapfel in der Union geworden. Gegner finden sich in allen Lagern, der Frontverlauf ist unübersichtlich. Die familienpolitische Leistung hat seit Monaten das Zeug, eine Regierungskrise auszulösen. Denn am Betreuungsgeld entzündet sich nicht nur der Streit darüber, wie viel Geld der Staat für Familien ausgeben will und welche Maßnahmen dazu beitragen, das Land kinderfreundlicher zu machen.



Es geht - wie der Kampfbegriff "Herdprämie" zeigt - auch darum, welchen Stellenwert das traditionelle Familienbild noch hat. Ausgefochten werden aber auch taktische Fragen: In der Union soll der arg gerupfte konservative Parteiflügel besänftigt werden. Und insbesondere die CSU will sichtbaren Erfolg, nicht zuletzt mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern 2013. Das Betreuungsgeld werde kommen, versicherte Parteichef Horst Seehofer: "So sicher wie das Amen in der Kirche".



Auf dem Tisch liegt das Betreuungsgeld seit 2007. Die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wollte das Familienbild der Union modernisieren und den Krippenausbau durchsetzen. Der konservative Parteiflügel verlangte jedoch einen

Ausgleich: Eltern, die nichts vom 12 Milliarden Euro teuren Krippenausbau haben, weil sie ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, sollten Ersatz bekommen. "Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen", solle ein Betreuungsgeld ausgezahlt werden, so verabredete es die schwarz-gelbe Regierungskoalition.



2013 sollen nun Eltern, die ihre ein- oder zweijährigen Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen lassen, 100 Euro im Monat bekommen, 2014 dann 150 Euro. 400 Millionen Euro soll das 2013 kosten. Ein Jahr später allerdings erwartet das Finanzministerium schon Kosten von 1,2 Milliarden Euro.



200.000 Krippenplätze fehlen

Für die Opposition, aber auch für große Teile der FDP und eine Gruppe von Unionsabgeordneten eine widersinnige Ausgabe. Denn zeitgleich kommt der Ausbau der Krippenplätze nicht ausreichend schnell voran. Nach Schätzungen der Bundesregierung fehlen immer noch 160.000 Plätze, Kommunen und Kirchen gehen eher von mehr als 200.000 aus.



Auch Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften sind deshalb gegen diese Leistung. Sie verweisen auf Finnland und Norwegen, die ein Betreuungsgeld seit Jahrzehnten kennen: Dort zeigten Studien, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen durch die Leistung gesunken sei, besonders bei Migrantinnen. Gleichzeitig stärke das Betreuungsgeld in Familien mit niedrigem Bildungsstand die Neigung, Kleinkinder innerhalb der Familie zu betreuen, warnt etwa Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Was allerdings der Wirtschaft wiederum den Vorwurf einträgt, sie sei lediglich daran interessiert, dass Frauen möglichst schnell für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.



Die Kirchen sind uneins. Während die Evangelische Kirche die Leistung ablehnt, machen sich viele katholische Bischöfe und Verbände für das Betreuungsgeld stark. Eltern brauchten mehr Anerkennung ihrer Erziehungsleistung, heißt es dort. Anders der Deutsche Caritasverband: "Ein Betreuungsgeld, das nur bezahlt wird, wenn auf öffentliche Kinderbetreuung verzichtet wird, ist ungerecht und unterstützt die Wahlfreiheit von Eltern nicht", erklärte der katholische Wohlfahrtsverband. Am Mittwoch will das Bundeskabinett über den Gesetzentwurf entscheiden - angesichts der Einwände von fünf Ministerien auch kein Selbstläufer.



Kanzlerin Merkel stellte sich am Wochenende noch einmal hinter das Betreuungsgeld und beklagte das Erscheinungsbild der Koalition. Der Ausbau von Kitaplätzen stehe zwar im Vordergrund, sagte sie vor CDU-Kreisvorsitzenden. "Aber unser Gesamtkonzept, um die Wahlfreiheit auszudrücken, war immer beides zusammen - und deshalb werden wir auch vor dem Sommer noch das Betreuungsgeld verabschieden."