Ethiker fordert zum Energiesparen auf

"Das Problem der Energiewende nicht technisch lösbar"

Vor einem Jahr wurde der Atomausstieg beschlossen, nun soll die Energieversorgung umweltfreundlich gestaltet werden, ohne Einbußen für Wohlstand und weitere wirtschaftliche Entwicklung. Das kann nicht funktionieren, meint der Theologe Prof. Jürgen Manemann im domradio.de-Interview. Nötig sei vielmehr ein neues Bewusstsein von Endlichkeit, so der Leiter des Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover.

 (DR)

domradio.de: Ein Jahr Energiewende, Was hat sich getan seither?

Prof. Manemann: In gewisser Weise muss man sagen, seit dem beschlossenen Ausstieg hat sich nicht allzu viel getan, wir haben wichtige Zeit vertan, und das ist auch den Verantwortlichen und der Bundeskanzlerin bekannt. Wir sollten deshalb auch nicht fragen, was hätte sein können. Sondern wir sollten uns jetzt der Frage stellen, was wir jetzt tun sollen.



domradio.de: Und das wäre?

Prof. Manemann: Das ist eben keine Frage, die nur die Politiker und Techniker und Ingenieure zu beantworten haben, sondern sie geht uns alle an. Die Frage nach der Energiewende halte ich für DIE politische Frage schlechthin. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens, müssen alle gehört werden und zweitens, dürfen wir die Energiewenden nicht auf ein technisches Problem reduzieren. Meines Erachtens hat der neue Umweltminister das auch erkannt, denn er hat direkt nach Antritt sofort die Asse besucht, das wohl schwierigste Problem, mit dem die Umweltministerien zur Zeit zu kämpfen haben. Und er hat hier Signale gesetzt, die für eine neue Politik ganz richtig sind. Er hat erkannt, dass die Umweltfrage überparteilich entschieden werden muss. Und er hat sich sofort den Fragen und Sorgen der Bürger gestellt. Er setzt hier das Signal, dass die Frage nach der Klimawende eine kommunikative und ethische Herausforderung darstellt.



Jede Generation steht vor ihren eigenen ganz spezifischen Herausforderungen; und die unserer Generation besteht aus einem gewaltigen Umbau der Gesellschaft. Das ist mit Belastungen verbunden und vielleicht auch mit weniger Wohlstand. Aber das heißt doch nicht, dass wir dann in unglücklicheren Zeiten leben! Denn längst hat sich gezeigt, dass der Zusammenhang von materiellem Wohlstand und einem glücklichen Leben in den Industriegesellschaften brüchig geworden ist. Mehr Wachstum macht uns mit Sicherheit nicht glücklicher! Wer das begriffen hat, der braucht sich erst einmal vor den Belastungen nicht zu fürchten und der hat erkannt, dass wir zunächst einmal neu über die Frage was ist Wohlstand ist, nachdenken müssen. Wohlstand ist ein positiver Zustand, der aus materiellen Dingen aber auch aus immateriellem Wohlergehen besteht. Wohlstand bedeutet mehr, als sich etwas leisten können. Denn das wir wollen, ist doch, dass jeder ein glückliches und humanen Leben führen kann.



domradio.de: Was konkret schwebt Ihnen da vor?

Prof. Manemann: Wir müssen erkennen, dass wir das Problem der Energiewende nicht technisch werden lösen können. Denn indem wir weiter Energie verbrauchen, auch wenn sie ökologisch produziert wird, werden wir trotzdem die Klimakatastrophe nicht wirklich aufhalten können. Das können wir nur dadurch, indem wir weniger Energie verbrauchen. Und das ist eine Frage, die uns alle angeht. Wir verbrauchen alle zu viel Energie, d.h. wir müssen uns ändern. Und das ist eine kulturelle Aufgabe und dazu sind dann weniger die Technikwissenschaftler, sondern Theologen, Philosophen, Historiker und Sozialpsychologen gefragt.



Wir brauchen ein neues Bewusstsein von Endlichkeit, um uns von dem Machbarkeitswahn und Perfektionismuswahn, der unsere Kultur prägt, freizumachen. Da haben auch die Kirchen eine große Aufgabe, um hier alternative Lebensmodelle vorzustellen. Und die Politik muss sich auch der Frage, was es heißt; ein gutes Leben führen zu können stellen. Wir brauchen hierfür eine ganz neues Verständnis von Politik.

Das Interview führte Monika Weiß.