Debatte um die Islam-Aussage von Bundespräsident Joachim Gauck

Geteiltes Echo

Die Aussagen von Bundespräsident Joachim Gauck über den Islam in Deutschland stoßen auf ein geteiltes Echo: Katholiken- und Muslimenvertreter unterstützen das Staatsoberhaupt und warnen vor einer künstlich aufgebauschten Debatte. Kritik kommt von den Grünen.

 (DR)

Partei-Chef Cem Özdemir kritisierte im Gespräch mit den "Ruhr Nachrichten" (Freitag), er könne Gaucks Unterscheidung zwischen Islam und Muslimen nicht nachvollziehen. Wenn der Bundespräsident erkläre, dass in Deutschland lebende Muslime zu Deutschland gehörten, "dann gehört natürlich auch ihr Islam zu Deutschland", so Özdemir.



Gauck hatte der Wochenzeitung "Die Zeit" gesagt, den Satz seines Amtsvorgängers Christian Wulff, wonach der Islam zu Deutschland gehört, teile er in seiner Intention. Ihm läge allerdings eine andere Formulierung näher: "Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland." Allerdings halte er "Ein-Satz-Formulierungen über Zugehörigkeit" auch für problematisch.



Gauck fügte hinzu, er könne diejenigen verstehen, die fragten: "Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation? ... Ich bin hoch gespannt auf den theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islam."



"Der Bundespräsident hat in der Sache genau das Richtige gesagt: Die Muslime gehören zu Deutschland", sagte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Damit habe Gauck im Kern das aufnehmen wollen, was sein Amtsvorgänger Christian Wulff gesagt habe.



Wulff hatte damals betont, der Islam gehöre zu Deutschland. Dieser Satz könne missverstanden und müsse interpretiert werden, so Jaschke, der in der Bischofskonferenz die Unterkommission für den interreligiösen Dialog leitet. "Es ist immer problematisch, wenn man komplexe Sachverhalte auf spitze Sätze reduziert."



Es gehe darum, gemeinsam mit den Muslimen eine gerechte und tolerante Gesellschaft zu bauen. "Wir Christen suchen den Dialog und das Miteinander mit den Muslimen in unserem Land." Als religiöse Menschen sollten beide Seiten voneinander lernen "und dafür Sorge tragen, dass der Glaube an Gott in unserem Land nicht untergeht", so Jaschke. Dazu wünsche er sich "dringend" die Entwicklung eines europäischen Islam, vertreten an Schulen und Universitäten, "im Dialog von Glaube und moderner Vernunft".



Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, lobte Gaucks Worte. "Der Bundespräsident bricht nicht mit bisherigen Vorstellungen, sondern führt die begonnene Debatte als kluger Moderator fort. Der erneute Erregungs-Remix über die jüngste Äußerung ist nur hinderlich", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).



Nach einem Bericht der "Passauer Neuen Presse" hatte Mazyek betont: "Das europäische Abendland steht ganz klar auch auf muslimisch-morgenländischen Beinen". Wer das leugne, betreibe Geschichtsfälschung. Dieser Vorwurf treffe jedoch nicht auf den Bundespräsidenten zu, stellte dr ZMD-Vorsitzende in der NOZ klar.



Gauck habe sich nicht von der Einschätzung seines Vorgängers Wulff distanziert, der Islam gehöre zu Deutschland. "Wir dürfen nicht in ein Ihr und Wir abgleiten, dass der Vielfalt in Deutschland nicht angemessen ist", sagte Mazyek. Er zeigte sich zuversichtlich mit Blick auf den weiteren Dialog. "Dabei hilft sicherlich, dass Gauck von Hause aus Theologe ist."



Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, nahm Gauck gegen Kritik in Schutz. "Man kann von ihm doch nicht erwarten, dass er einfach die Sätze anderer wiederholt", sagte Kolat der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Der Islam habe seit Jahrhunderten zur europäischen Kultur beigetragen, darüber dürfe es aber nun keine neue "ideologische Debatte" geben.



Kolat sagte, er gehe davon aus, dass Gauck als Theologe eine besondere Erwartungshaltung an die innerislamische Modernisierungsdebatte habe. Gaucks Fragen hierzu könnten aber auch den Blick dafür schärfen, dass der Islam nicht homogen sei und es durchaus eine fortschrittliche islamische Theologie gebe.