Treffen mit Kirchenvertretern beschließt die Israel-Reise von Bundespräsident Gauck

"Das hat er hervorragend gemacht"

Als erstes deutsches Staatsoberhaupt besuchte Bundespräsident Gauck das evangelische Begegnungszentrum Auguste Viktoria auf dem Jerusalemer Ölberg. "Ein Heimspiel", sagt Br. Nikodemus Schnabel, der im domradio.de-Interview ein positives Fazit der Israelreise zieht.

 (DR)

domradio.de: Welchen Eindruck hatten Sie von dem Treffen? Wie kam der Bundespräsident an?

Schnabel: Für ihn war das ein Heimspiel - und sicher auch der entspannendste Termin. Er war nicht "das Gegenüber", das deutsche Staatsoberhaupt, das es in Israel immer schwierig hat. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind niemals normal - und dürfen es auch nicht sein. Und auch die Palästinenser haben immer hohe Erwartungen an deutsche Politiker. Das Treffen gestern war ein Empfang für die Kirchenvertreter. Gauck wurde dabei begrüßt von Michael Wohlrab, dem Pfarrer der evangelischen Himmelfahrtskirche, mit: Herzlich Willkommen zuhause. Eben weil Gauck selber evangelischer Pfarrer war. Und das hat man auch gespürt: Nach den Förmlichkeiten seiner Rede stockte er und sagte "Hier darf ich auch Liebe Schwestern und Brüder sagen". Unter all den Christen durfte er Pfarrer sein. Und seine Botschaft war: ein Dank an die Kirchen vor Ort als Brückenbauer. Außerdem hat er betont, dass Jerusalem für ihn eine Stadt für alle Völker und Religionen wird, eine Stadt des Friedens und des gegenseitigen Respekts.



domradio.de: Deutsche Politiker meiden gewöhnlich den arabischen Ostteil Jerusalems, den Israel nach 1967 annektierte. Warum glauben Sie hat Gauck diesen Schritt gewagt?

Schnabel: Das hat er in indirekt auch in seiner Rede thematisiert: Er wünscht sich, dass Jerusalem die Hauptstadt der Israelis und der Palästinenser wird. Eine sehr mutige Aussage, die nicht jeder Politiker so trifft. Gauck war das Signal wichtig: Ich nehme die Palästinenser ernst in ihrer Sehnsucht nach einer eigenen Hauptstadt Ost-Jerusalem. In diesem Kontext war auch sein Besuch dort zu verstehen. Und das war auch ein starkes Signal, das auch die Palästinenser wahrgenommen haben: Deutschland ist nicht nur und konsequent an der Seite Israels, sondern Deutschland ist auch ein Fürsprecher der Sache der Palästinenser.



domradio.de: Wie fällt Ihr Fazit der Reise aus? Kann sie etwas ändern?

Schnabel: Gauck war nicht der Erste, der hier Frieden anstoßen wollte. Auch nach dem Besuch des Heiligen Vaters stellte sich die Frage: Was bleibt? Das ist schwer abzuschätzen. Ich würde nicht sagen, dass etwas ans Rollen kommt. Dennoch: Der Besuch war wichtig. Die Region braucht diese kleinen Gesten, Zuwendungen und das Gefühl, ernst genommen zu werden. Beide Seiten. Und das hat Gauck hervorragend gemacht. An Israel mit der Botschaft: Wir nehmen Euch ernst in Eurer Angst vor einem Krieg mit dem Iran, wir sind an Eurer Seite. Und zu den Palästinensern: Wir nehmen Euch ernst in Eurer Sehnsucht, einen eigenen Staat zu haben und in Freiheit zu leben. Das gehört hier dazu - und das hat Gauck hier in hervorragender Weise getan. Er hat hier niemanden irritiert. Mich hat schon gewundert, wie in Deutschland versucht wurde, das Haar in der Suppe zu suchen. Hier waren die Israelis und die Palästinenser begeistert. Dem schließe ich mich gerne an. Der Besuch war eine sehr runde Sache.



Zur Person: Bruder Nikodemus Schnabel OSB ist Leiter des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG).



Das Gespräch führte Aurelia Plieschke.