Pater Hagenkord über die Aufarbeitung der "Vatileaks"-Affäre

Ein sehr betrübter Papst

Die Vatileaks-Affäre geht an Papst Benedikt XVI. nicht spurlos vorbei, das erzählt der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord, im domradio.de-Interview. Als sehr ungewöhnlich bezeichnet der Jesuit die klaren Worte Benedikts während der Generalaudienz am Mittwoch.

 (DR)

domradio.de: Was hat der Papst in der Generalaudienz gesagt?

Pater Bernd Hagenkord SJ: Bei der Generalaudienz hat der Papst, was sehr ungewöhnlich ist, sich direkt auf diese Affäre bezogen. Er hat sie zwar nicht "Vatileaks"-Affäre genannt, aber es war völlig klar, dass er auf die Ereignisse der letzten Tage Bezug genommen hat.



Er hat noch einmal sehr klar gesagt, dass es ihn das sehr betrübt, was über seine Mitarbeiter dort behauptet wird und was seine Mitarbeiter getan haben beziehungsweise in dem Fall wissen wir bis jetzt nur von einem Mitarbeiter. Er hat auch ganz klar die Presse in die Schranken gewiesen und gesagt, dass die Spekulationen weit über die Tatsachen hinausgehen, dass es alles so nicht stimmt. Dass ein Bild über den Vatikan verbreitet würde, dass überhaupt nicht der Realität entspräche. Also er hat sehr direkt und sehr klar Stellung bezogen, wie gesagt, was sehr ungewöhnlich ist für Papst Benedikt.



domradio.de: Nach der Festnahme des Kammerdieners gab es eine Menge Spekulationen in der deutschen Presse. Wie sieht denn die Berichterstattung in Italien aus?

Hagenkord: Die sah über das Wochenende so aus, wie sie jetzt in Deutschland aussieht. Wir sind ein paar Tage hinterher, wegen Pfingsten vermutlich. Italien ist jetzt stärker mit dem Korruptionsskandal im Fußball beschäftigt, da klingt das etwas ab, aber natürlich wird noch darüber berichtet. Der Vatikan veranstaltet jeden Tag eine Pressekonferenz zum Thema und hält die Journalisten auf dem Laufenden. Es gibt zwar keine großen Neuigkeiten, da geht es dann um Verfahren, um Absprachen. Man ist ganz klar daran interessiert, zu kommunizieren, Neuigkeiten in die Öffentlichkeit zu bringen, damit diese Skandalmeldungen, die völlig absurderweise in den deutschen Medien durch die Seiten getrieben werden, damit sie aufhören.



domradio.de: Nun hat man noch nicht wirklich viel über diese geheimen Dokumente erfahren. Inwiefern könnte denn die Veröffentlichung dieser Dokumente dem Papst Schaden zufügen?

Hagenkord: Sie haben ja schon Schaden zugefügt, indem Vertrauen zerstört ist. Es geht hier um jemanden, der ganz nah ist am Papst und da geht man davon aus, dass derjenige, der von früh bis spätabends dafür sorgt, dass das Leben funktioniert, dass man dem vertrauen kann. Wenn man dem nicht mehr vertrauen kann, dann ist das ein Schlag ins Kontor. Da ist schon ein Riesenschaden angerichtet worden. Alles andere werden wir noch besprechen müssen. Da werden sicherlich noch einige Beziehungen zu kitten sein. Da sind Namen in der Öffentlichkeit, da sind Vorgänge in der Öffentlichkeit - da wird noch einiges zu reparieren sein im Verhältnis zu einzelnen Bischöfen, im Verhältnis zu Privatpersonen.



domradio.de: Sie haben gesagt, dass der Papst heute Stellung bezogen hat, außergewöhnlich offen und deutlich, aber wie geht er vielleicht auch ganz persönlich damit um? Merkt man ihm seine Enttäuschung an?

Hagenkord: Das ist natürlich jetzt ein bisschen Kaffeesatzleserei, aber ich glaube, man merkt es ihm an. Man merkt es ihm an der Stimme an. Als es darum ging, über die Realität zu sprechen und über das Vertrauen, dass er nach wie vor in seine engsten Mitarbeiter hat, da wurde die Stimme sehr klar und sehr betont, nicht so wie man normalerweise vielleicht einen Text abliest, sondern da merkte man richtig, da steckt er selber drin. Ich glaube schon, dass ihn das sehr beschäftigt. Wenn der Pressesprecher sagt, das hat den Papst sehr betrübt, dass es wirklich genau das ist, dass er sehr betrübt darüber ist, dass ihn das sehr trifft und dass das natürlich auch verarbeitet werden muss, wenn jemand aus dem allerengsten Umfeld so etwas tut, dass man da nicht einfach drüber hinweggeht. Das trifft auch, glaube ich, auf den Papst zu.



domradio.de: Man weiß ja nun nicht, wie viele Menschen tatsächlich dahinter gesteckt haben, aber weiß man, wie es jetzt weiter geht?

Hagenkord: Es gibt ja Medien, die behaupten es zu wissen. Wenn ich in den Spiegel gucke und lese dort von einem Dutzend, das sind alles hanebüchene Theorien, die da plötzlich ausgebreitet werden. Was wir wissen, ist, dass es im Augenblick mit Paolo Gabriele Vorvernehmungen gibt, also noch nicht die formalen Vernehmungen, die beginnen erst in der nächsten Woche. Was wir wissen ist, dass man sehr sorgfältig herangeht, dass man die Familie einbezieht, dass man auch überlegt, wie das mit Italien ist, also mit dem Konkordat und Straftatbeständen, die nach italienischem Recht vielleicht behandelt werden müssten. Das muss erst noch alles geklärt werden, bevor man wirklich ganz formal in das Verfahren einsteigt. Man will hier in Rom und im Vatikan ganz sorgfältig an diese Sache herangehen, um herauszufinden, was wirklich passiert ist. Ich glaube, das dient zwar nicht der Schlagzeilenfindung, aber es dient sicherlich der Wahrheitsfindung.



Das Interview führte Monika Weiß