KNA-Chefredakteur glaubt nicht an Verschwörungstheorie

"Die Vatileaks sollten den Papst stärken"

Der wegen Verdachts des Geheimnisverrats verhaftete päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele hat eine umfassende Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zugesagt. Gespannt darf man sein, ob er Namen von möglichen Komplizen nennen wird. Der Vatikan-Kenner und KNA-Chefredakteur Ludwig-Ring-Eifel glaubt allerdings nicht an eine Verschwörung gegen den Papst, die einige Medien schon vermuteten.

KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel (KNA)
KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel / ( KNA )

domradio.de: Wie konnte es denn überhaupt dazu kommen, dass so etwas passiert?--
Ludwig Ring-Eifel: So etwas kommt sozusagen in den besten Familien vor. Wir haben Spione in der Nähe von Päpsten schon in früheren Jahrzehnten gehabt. Gewissermaßen hat jede Zeit ihre Spione, früher waren das Spione, die von Nazis im Vatikan platziert wurden, dann waren es Spione, die von der Stasi und anderen kommunistischen Geheimdiensten positioniert wurden, auch ganz in der Nähe von Johannes Paul II. Und jetzt haben wir es mit Spionen zu tun, die im Auftrag der Ideologie der "Neuen Transparenz" agieren, d.h. Leute die versuchen, Transparenz um jeden Preis auch in eine so abgeschottete Welt wie die des Vatikans hineinzubringen. Was da genau passiert ist und wer wen angestiftet hat und was genau das Ziel war, ist noch nicht ganz klar. Aber es gibt kein 100%iges Mittel für keine Macht dieser Welt, sich völlig abzuschotten. Es kann immer wieder gelingen, dass jemand in den internsten Kreis eingeschmuggelt wird, der dann Dinge nach draußen berichtet.

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domradio.de: Nun wird inzwischen ja vermutet, dass der Kammerdiener, nur ein Handlager von Menschen war, die mit der Veröffentlichung dieser Dokumente ganz andere Ziele verfolgen. Ist da eine Verschwörung gegen Papst Benedikt XVI. im Gange?--
Ring-Eifel: Nein, von der Verschwörungstheorie halte ich relativ wenig, nach allem, was bisher bekannt geworden ist, wollten ja diese Leute, die da Dokumente an die Presse bzw. an Herrn Nuzzi herausgegeben haben, gerade nicht den Papst stürzen oder schwächen, sondern ihn im Gegenteil stärken, indem sie mehr Transparenz in den Vatikan bringen, weil der Vatikan eben bisher, so in den letzten fünf, sechs Jahren, ein ganz abgeschottetes System war. Das war viel abgeschotteter als noch unter dem Pontifikat von Johannes Paul II, wo immer wieder doch eine ganze Menge Informationen an die Presse hinausgesickert ist. Das hat man im Vatikan nicht gern gesehen, aber es war dennoch ein nützliches Instrument, um die Medien ein bisschen auf dem Laufenden zu halten. Und seitdem diese Informationsströme versiegt sind, ist da ein gewisser Druck entstanden, und der sucht sich jetzt ein anderes Ventil, und das sind dann eben diese Vatileaks, wie man inzwischen sagt. --


domradio.de: Der Vertrauensbruch weitet sich immer mehr aus: In einer italienischen Tageszeitung outete sich ein Vatikanmitarbeiter, natürlich anonym, auch er sei an der Veröffentlichung der vertraulichen Dokumente beteiligt gewesen. Eine Vatikanangestellte soll ebenfalls mitgemacht haben. Und sogar von einem Kardinal ist die Rede - kann selbst ein Papst niemandem wirklich trauen?--
Ring-Eifel: Es wird da die Äußerung eines Beichtvaters überliefert, der sagt, wenn also selbst der Butler nicht mehr vertrauenswürdig ist, welchem Menschen kann man überhaupt noch trauen? Es ist in der Tat eine Stellung, die sehr nahe an die Person des Papstes herankommt, also bis in den innersten Bereich seines Wohnens und Lebens, das bedeutet aber nun nicht, dass der Papst jetzt niemandem mehr vertrauen könnte. Er wird weiterhin seinem persönlichen Sekretär vertrauen können, er kann dem Kardinalstaatssekretär vertrauen, er kann fast allen Personen im Vatikan vertrauen, aber es wird eben eine gewisse Gruppe von Personen geben, die zu diesem Kreis der Transparents-Verfechter gehören, und da muss man genau hinsehen, wem man da noch vertrauen kann. Der Papst müsste aber vor allen Dingen die eigene Informationspolitik jetzt ändern, also von sich aus mehr Transparenz schaffen, damit solche Geschichten gar nicht erst notwendig sind.  --


domradio.de: Erst in der letzten Woche ist der Chef der Vatikanbank Gotti Tedeschi entlassen worden - nun der Vatileaks-Skandal - meinen Sie, dass es da eine Verbindung geben könnte, es eventuell einen "Regisseur" gibt, der die unsichtbaren Fäden in der Hand hat und dem Vatikan, insbesondere dem Papst, Schaden zufügen will?--
Ring-Eifel: Das halte ich nicht für wahrscheinlich. Ich glaube, dass der Fall Gotti Tedeschi tatsächlich sehr wenig mit Vatileaks zu tun hat, obwohl es eine zeitliche Koinzidenz gibt. Was Gotti Tedeschi letztlich geschadet hat, war seine Art, seinen Job zu machen. Er war ja Chef der Vatikanbank und hat da die Dinge einfach sehr schleifen lassen, ist nicht zu Sitzungen erschienen, hat die notwendigen Schritte unterlassen, um das Institut zu sanieren. Also das ist eigentlich eine ganz normale und gute Entlassung gewesen, dass man einen Bankdirektor, der dermaßen schludrig mit seinem Geschäft umgeht, vor die Tür setzt. Das würde ich eher als ein ermutigendes Zeichen sehen. Auch das wieder ein Fall für mehr Transparenz im Vatikan.--


Hintergrund

Der wegen Verdachts des Geheimnisverrats verhaftete päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele hat nach Angaben seines Anwalts eine umfassende Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zugesagt. Sobald er und seine Kollegin Cristiana Arru die bisherigen Ermittlungsakten studiert hätten, werde sein Mandant auf alle Fragen der Ermittler antworten und mit ihnen zur Wahrheitsfindung zusammenarbeiten, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Anwalts Carlo Fusco. Sein Mandant, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbinde, sei "sehr gelassen und ruhig".



Fusco wies zugleich Presseberichte zurück, die Frau des Beschuldigten habe die gemeinsame Wohnung verlassen. Auch habe sie bislang kein Interview gegeben und werde das auch nicht tun. Italienische Zeitungen hatten in den vergangenen Tagen angebliche Gespräche mit der Gattin des Kammerdieners wiedergegeben; diese stiegen allerdings nicht in inhaltliche Details ein.



Unterdessen schreiben italienische Dienstagzeitungen, im Visier der vatikanischen Ermittler seien derzeit rund 20 Personen. Nach anderen Angaben sollen "vier oder fünf" Mitarbeiter der Kurie bereits befragt worden sein. Laut der Turiner Zeitung "La Stampa" soll ein Laienmitarbeiter des Staatssekretariats in den vergangenen Tagen einen Nervenzusammenbruch erlebt haben. Er habe bei einer Anhörung ausweichende Antworten gegeben. (KNA)