Spekulationen um Rauswurf von Vatikanbank-Chef Gotti Tedeschi

Märtyrer der neuen Transparenz?

Es ist ein schmachvoller Abgang für Ettore Gotti Tedeschi. Der erfolgreiche italienische Banker, der vor knapp drei Jahren mit dem Image des Saubermanns an die Spitze der skandalumwitterten Vatikanbank IOR trat, muss seinen Hut nehmen. Der Aufsichtsrat der Bank sprach dem Manager das Misstrauen aus.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Der Aufsichtsrat des "Instituts für die religiösen Werke" empfahl dem zuständigen Kardinalsrat eine Beendigung des Mandats und begründete: Ungeachtet wiederholter Mahnungen an den 67-jährigen Manager habe sich die Situation des IOR "weiter verschlechtert". Die anderen vier von externen Banken kommenden Aufsichtsratsmitglieder werfen dem Mann, der im September 2009 von der spanischen Santander Bank in den Vatikan kam, vor, er habe nicht genug getan, um das Überleben des Instituts zu sichern. Indirekt kritisieren sie auch eine mangelhafte Zusammenarbeit mit der internationalen Finanzwelt. Eine endgültige Entscheidung des Kardinalsrates über Gotti Tedeschi stand am Freitagnachmittag noch aus.



Negative Schlagzeilen über Vatikanbank reißen nicht ab

Ein flüchtiger Blick auf die knapp dreijährige Amtszeit Gotti Tedeschis genügt, um zu sehen, was dem wortgewandten Norditaliener nicht gelang: Das IOR endlich aus den negativen Schlagzeilen zu holen. Im Frühjahr 2010 endeten erfolglos erste Verhandlungen mit der OECD über eine Aufnahme in die "Weiße Liste" für Staaten, die internationale Geldwäsche-Standards einhalten. Im folgenden September sperrte die italienische Staatsanwaltschaft 23 Millionen Euro auf einem italienischen IOR-Konto und nahm Ermittlungen gegen Gotti Tedeschi sowie dessen Generaldirektor Paolo Cipriani auf. Der Vorwurf lautete auf Verstoß gegen europäische Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche. Der Vatikan stellte sich damals hinter die Bankchefs. Der gesperrte Betrag wurde schließlich im Juni 2011 freigegeben.



Ein ungünstiges Licht auf die Arbeit des IOR warf auch die sogenannte "Vatileaks-Affäre". Anfang des Jahres gelangten vertrauliche Dokumente an die Öffentlichkeit, die eine unzureichende Zusammenarbeit des IOR mit der italienischen Bankenaufsicht offenbarten. Diese Enthüllungen wogen umso schwerer, als Benedikt XVI. selbst im Dezember 2010 mit einem päpstlichen Erlass eine Anpassung der vatikanischen Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung an EU-Standards verfügt hatte.



Vieles spricht dafür, dass Tedeschi jedoch nicht nur auf dem Feld der Image-Verbesserung gescheitert ist. Es gab Gerüchte aus Ordenskreisen, man suche sich angesichts der Verhältnisse beim IOR lieber eine andere Bank. Ob dadurch die finanzielle Basis des IOR ins Rutschen kam, ist reine Spekulation, da das Institut keine Bilanzen veröffentlicht.



Gotti Tedeschi sieht sich offenbar als Opfer

Und dann war da auch noch das zerrüttete Verhältnis zum einstigen Förderer, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Gotti Tedeschi selbst sieht sich offenbar als Opfer im Kampf um eine größere Transparenz. Er bezahle für seine Verteidigung des Anti-Geldwäsche-Gesetzes und für seine Haltung in Sachen "San Raffaele", sagte er in einer ersten Stellungnahme.



In der vatikaninternen Auseinandersetzung über die Anwendung des Anti-Geldwäsche-Gesetzes soll der IOR-Chef sich nachdrücklich für einen rigorosen Kurs eingesetzt haben. Dem Vernehmen nach wandte er sich vor allem gegen eine Beschneidung der Kompetenzen der neu geschaffenen Finanzaufsichtsbehörde AIF, die Bertone Ende 2011 zugunsten des vatikanischen Staatssekretariats vornahm. In der Frage einer möglichen vatikanischen Beteiligung an dem insolventen katholischen Mailänder Krankenhauskonzern "San Raffaele" soll er Bertone ebenfalls widersprochen und vor unkalkulierbaren finanziellen Risiken gewarnt haben.



Ob die Turbulenzen um Gotti Tedeschi Auswirkungen auf die Aufnahme des Vatikan in die "Weiße Liste" der OECD haben, ist vorerst nicht absehbar. Fachleute von Moneyval, dem Ausschuss des Europarates für die "Bewertung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche", prüfen gegenwärtig die vatikanischen Anti-Geldwäsche-Standards. Der Heilige Stuhl hofft, in einigen Wochen einen Platz auf der Liste zu erhalten.



Hintergrund

Das "Institut für die religiösen Werke" (Istituto per le Opere di Religione, IOR) wird landläufig "Vatikanbank" genannt. Der Vatikan vermeidet diese Bezeichnung; er weist darauf hin, dass das IOR einige banktypische Dienstleistungen wie Kreditvergabe nicht anbiete. Hauptzweck des 1942 gegründeten Instituts in dem festungsähnlichen Turm "Niccolo V" sind Vermögensanlage und Finanztransaktionen für Kirchenmitarbeiter und katholische Einrichtungen weltweit.



Geleitet wird das Institut mit 75 Beschäftigten und 13 IT- Mitarbeitern von einem Vorstand aus Nichtklerikern; dieser wird von einem Aufsichtsrat von Bankern kontrolliert. Darüber wacht eine Kardinalskommission mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone an der Spitze.



Nach inoffiziellen Angaben hat das IOR 33.000 Kunden, zwei Drittel davon aus Italien. 2.700 Depots sollen Orden aus Afrika und Südamerika gehören. Ein Konto eröffnen kann nur, wer Priester oder Ordensmitglied ist, im Vatikan arbeitet oder Mitglied des Diplomatischen Corps ist. Es reicht aber auch ein päpstliches Ehrenamt wie "Ehrenkammerherr Seiner Heiligkeit"; damit haben auch zahlreiche italienische Politiker und Unternehmer Zugang.



Insgesamt verwaltet das IOR angeblich fünf Milliarden Euro. Zu 80 Prozent soll es sich um Anlagen von Stiftungen, Ordensgemeinschaften, Bischofskonferenzen, Klöstern und Kollegien handeln. Rechenschaftspflichtig ist das Institut allein dem Papst; er verfügt auch über den Gewinn. Bilanzen werden nicht offengelegt. Eine externe Rechnungsprüfung fand erstmals 1994 statt. Derzeit läuft eine Evaluation durch Moneyval, die Europarats-Kommission für Transparenz im Finanzwesen.