Gotti Tedeschi wurde im Vatikan vom Retter zum Gescheiterten

Profilierter Banker mit ramponiertem Ruf

Auch wenn er seinen Job als Aufsichtsratsvorsitzender der Vatikanbank IOR los ist, stürzt Ettore Gotti Tedeschi nicht in die Arbeitslosigkeit. Die Vatikanbank war für ihn eine Aufgabe unter vielen. Manche meinen, auch das sei Teil des Problems gewesen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Der 67-jährige Bankmanager sitzt noch in Verwaltungsräten der Großbank Intesa Sanpaolo und der fast staatlichen Spar- und Darlehenskasse; er lehrt Finanzethik an der Katholischen Universität Mailand und bleibt wohl auch Gastautor der Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore".



Vertreter eines "moralischen Kapitalismus"

Der aus der norditalienischen Provinz Piacenza stammende Gotti Tedeschi kennt das internationale Finanzgeschäft: Nach dem Studium sammelte er Auslandserfahrung auf diesem Gebiet in Paris, dann bei McKinsey in London. Eine Art Mentor wurde für ihn der Bankier Gianmaria Roveraro, mit dem er als 43-Jähriger eine eigene Handelsbank, die Akros, gründete. Roveraro gehörte dem Opus Dei an. Auch Gotti Tedeschi soll dieser Gemeinschaft nahestehen. Für sie bedeutet Exzellenz im Beruf ein Teil des religiösen Lebens. Das gilt auch für Gotti Tedeschi. Er verficht einen "moralischen Kapitalismus".



Von 1992 an baute er den italienischen Kundenbank-Zweig der spanischen Bank Santander auf, managte die Übernahme der Bank Antonveneta und deren Weiterverkauf an MontePaschi. Gotti Tedeschi ist also keine unbedeutende Nummer im Bankenland Italien. Und er hat einen gut katholischen Stallgeruch: Auf der Höhe seiner Karriere erhielt er 1996 einen Lehrauftrag an der Katholischen Universität Mailand für Finanzstrategie, dann an der Universität Turin für Wirtschaftsethik. Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" lud ihn als Gastautor ein. Papst Benedikt XVI. beriet er bei der Abfassung der Enzyklika "Caritas in veritate".



Gotti Tedeschi beriet Papst bei Enzyklika

In dieser Zeit erbat man im Vatikan von Gotti Tedeschi nicht nur ethische Einschätzungen, sondern auch Hilfe im Finanzmanagement. 2008 sollte er im Auftrag von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone den defizitären Haushalt des Vatikanstaates sanieren. Im September 2009 machte man ihn zum Präsidenten des Aufsichtsrats in der Vatikanbank. Als Finanzinstitut ein kleiner Fisch, stand das "Istituto per le Opere di Religione" (IOR) doch immer wieder groß in den Schlagzeilen - nicht zuletzt durch den Tod des Bankers Roberto Calvi und den Crash der Mailänder Ambrosiano-Bank 1982, an dem der Vatikan auf bis heute nicht ganz durchsichtige Weise beteiligt war.



Der Vorgänger Gotti Tedeschis im Aufsichtsrat, Angelo Caloia, hatte seit seiner Ernennung 1989 das Image dunkler Machenschaften nicht vom IOR abstreifen können. Gotti Tedeschi sollte aufräumen. Ob er das zu gründlich tat oder zu wenig, diskutieren derzeit die Auguren um den Vatikan. Tatsache ist: Auch unter ihm geriet das IOR ins Visier der italienischen Staatsanwaltschaft. Im September 2010 wurden 23 Millionen Euro auf dem IOR-Konto bei einer italienischen Bank eingefroren und Ermittlungen gegen Gotti Tedeschi wegen Verletzung der Auskunftspflicht eingeleitet.



Der Beschuldigte sprach von einem "Verfahrensfehler", mutmaßte eine Kampagne gegen die Kirchenleitung. Der Papst stellte sich hinter ihn. Italiens damaliger Finanzminister Giulio Tremonti bekräftigte in einer Rede vor der IOR-Leitung die Notwendigkeit zu mehr Transparenz auf internationalen Finanzmärkten. Auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ging er nicht ein. Gotti Tedeschi soll mit Tremonti befreundet sein, ebenso mit Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank.



Sein Management beim IOR erledigte Gotti Tedeschi diskret. Wenn er in Erscheinung trat, dann eher mit allgemeinen Thesen wie der, dass die Wirtschaftskrise nicht durch Finanzmanager verursacht sei, sondern durch den Geburtenrückgang in der westlichen Welt. Gotti Tedeschi hat selbst fünf Kinder. Aber die Umstrukturierung des vatikanischen Finanzverkehrs ist ein delikates Geschäft. Delikat war auch die Frage einer Vatikan-Beteiligung am defizitären katholischen Klinik-Imperium San Raffaele in Mailand. Gotti Tedeschi plädierte hier gegen Bertone für vorsichtige Zurückhaltung - und setzte sich damals durch. Dass der Banker nun am Ende doch den Kürzeren gezogen hat, passt zur Logik der vatikanischen Machtpyramide. Ob und wo er versagt hat, steht auf einem anderen Blatt.