NRW-Piraten gründen "lockere Christengruppe"

Christliche Nerds

In vielen politischen Parteien schließen sich Christen zu einem Arbeitskreis zusammen - auch die NRW-Piraten bilden da keine Ausnahme. "Christen in der Piratenpartei" ist aber nur ein lockeres Bündnis, betont Gründungsmitglied Frank Mazny im domradio.de-Interview. Denn "im Prinzip ist Religion bei uns in der Partei kein großes Thema".

 (DR)

domradio.de: Ist Ihnen denn selbst immer ganz klar, wofür Ihre Partei eigentlich steht?

Frank Mazny: Im Prinzip schon. Man kann es in unserem Grundsatzprogramm nachlesen. Da steht es, wenn auch nicht bis ins letzte Detail, aber die Eckpfeiler stehen im Prinzip. Und viele Dinge werden halt basisdemokratisch ausdiskutiert.



domradio.de: Jetzt gibt es den neuen Arbeitskreis Christen in der Piratenpartei, wie stehen Sie denn zum Beispiel zur Trennung von Staat und Kirche?

Mazny: Entschuldigung, wir sind gar kein Arbeitskreis, sondern wir sind echt nur eine Gruppe.

Wir stehen da voll hinter. Es ist ja auch in unserem Grundgesetz definiert, dass Staat und Kirche getrennt sein soll, damit sich keiner beim anderen direkt einmischen kann und das sind durchaus positive Eigenschaften, die auch wir voll unterstützen.



domradio.de: Die Piraten würden, sollten sie an der Regierung sein, die Kirchensteuern zum Beispiel abschaffen. Da sind Sie auch für?

Mazny: Da wäre einmal die Frage, könnte man das überhaupt? Denn das sind staatsrechtliche Verträge, die eben die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften mit dem Staat eingegangen sind. Ob man die so einfach kündigen könnte und wie sinnvoll das wäre, da müsste man nochmal genauer hinschauen. Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass es vielleicht sogar für die Kirche selbst vielleicht gar nicht mal schlecht sein könnte. Papst Benedikt hat ja auch von einer gewissen Entweltlichung der Kirchen gesprochen.



domradio.de: Aber die Kirchensteuern werden ja auch für ziemlich gute Projekte unter anderem eingesetzt, oder?

Mazny: Natürlich und deswegen muss man da, bevor man fordert, dieses und jenes sollte abgeschafft werden, genau hingucken, was wird damit finanziert und ist es wirklich eine Einmischung oder eine Verflechtung von Kirche und Staat. Wenn der Staat jetzt für eine Religionsgemeinschaft die Steuern miteinzieht und dafür Geld bekommt, ist es ja erst einmal eher eine Dienstleistung.



domradio.de: Sie wollen, so liest man es immer wieder, den grundgesetzlichen Schutz für Feiertage abschaffen, das heißt also Weihnachten und Ostern wollen Sie gerne arbeiten?

Mazny: Nein, woher haben Sie das?

domradio.de: Das liest man zum Beispiel auf der Seite der Konrad-Adenauer-Stiftung und auf verschiedenen Medienseiten.

Mazny: Also da kann ich nur sagen, das stimmt so nicht. Na gut, ich bin examinierter Krankenpfleger, ich gehe so oder so an Feiertagen arbeiten. Mich betrifft das nicht, aber weder die Abschaffung von christlichen Feiertagen noch die Arbeitsfreiheit da aufzuheben, haben wir in irgendeiner Art und Weise in unseren Positionen.



domradio.de: Im Saarland haben die Piraten ausdrücklich dafür geworben, gefordert, dass der katholische und evangelische Religionsunterricht als Schulfach abgeschafft wird. Ist das auch in Ihrem Sinne?

Mazny: Mir persönlich wäre es durchaus recht. Andererseits ist der Religionsunterricht auch per Gesetz festgeschrieben, also auch der ist nicht einfach so abzuschaffen und die Berliner haben ja da die Idee gehabt, so eine Art Ethikunterricht daraus zu machen. Das sind Dinge, die müssen die Länder, jedes für sich selber regeln.



domradio.de: Aber Sie wären eher dafür? Warum?

Mazny: Ich habe selbst als Schüler viel schlechte Erfahrung mit katholischem Religionsunterricht gemacht. Da wurde sehr viel vermittelt, aber leider sehr wenig Religion und katholischer Glaube. Das war so etwas, was mich ein bisschen gestört hat.



domradio.de: Ich habe den Eindruck, dass Sie vielleicht als Mitglied der Gruppe Christen in der Piratenpartei gar nicht so als Außenseiter in Ihrer Partei betrachtet werden, was die Ansichten angeht, oder?

Mazny: Nein. Im Prinzip ist Religion bei uns in der Partei kein großes Thema. Ich könnte Ihnen jetzt auch gar nicht einmal sagen, ob wir mehr Atheisten oder mehr Christen oder Buddhisten in der Partei haben, wir erheben das nicht. Es ging uns einfach nur darum, als Christen uns zusammenzufinden und uns miteinander auszutauschen über unsere jeweiligen Gemeinden und Gemeinschaften, wo wir herkommen und vielleicht auch da Vorurteile abzubauen, die wir untereinander haben. Und es gibt auch viel Unwissen, gerade zum Thema Christentum und dass man da vielleicht Abhilfe schaffen kann und dass wir uns quasi als "christliche Nerds" zur Verfügung stellen, um gewisse Themengebiete abzudecken.



domradio.de: Und welche christlichen Themengebiete sind das? Wofür setzen Sie sich in der Piratenpartei ein?

Mazny: Jetzt direkt einsetzen, erst einmal noch nicht, aber ich könnte mir vorstellen, bei der katholischen Kirche herrscht ja viel Unwissenheit. Was ist jetzt Dogmatik, ist der Papst schon unfehlbar, wenn er morgens aus dem Bett steigt und diese vielen, vielen Kleinigkeiten… Da braucht es eben "Experten", die auch sagen können, nein, der Papst ist natürlich nicht am Frühstückstisch schon unfehlbar, sondern nur bei ganz bestimmten Punkten.



Das Interview führte Aurelia Plieschke



Hintergrund

Der neue nordrhein-westfälische Landtag kommt am 31. Mai in Düsseldorf zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammen. Nach der Begrüßung durch Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) werden die Namen der 237 Abgeordneten aufgerufen und die Geschäftsordnung des Landtags in Kraft gesetzt.Außerdem werden die Mitglieder des 16. Landtages verpflichtet.



Damit übernehmen die neu gewählten Politiker offiziell ihre Mandate und erlangen den Status von Abgeordneten. Vor der Sitzung laden die evangelische und katholische Kirche die Abgeordneten zu einem Gottesdienst in die Düsseldorfer St. Maximilian-Kirche ein.



Die Fraktion der neu in den Landtag einziehende Piraten-Partei wird nach Angaben des Landtags vom Präsidententisch aus gesehen links von der SPD-Fraktion Platz nehmen, wo bisher die nicht mehr im Landtag vertretende Links-Partei saß. Die Fraktion der SPD verfügt über 99 Sitze, die CDU-Fraktion über 67, die Fraktion der Grünen hat 29, die FDP 22 und die Piraten 20. Das neue Landesparlament ist durch Überhang- und Ausgleichsmandate um 56 Plätze auf 237 angewachsen.