Theologe erwartet von Umweltminister Altmaier neue Impulse bei Energiewende

Auf nach Asse und Gorleben

Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier soll die Energiewende in geordnete Bahnen lenken. Der Fundamentaltheologe Jürgen Manemann fordert im domradio.de-Interview, die Suche nach einem Atommülllager in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei sei er in erster Linie dem Gemeinwohl verpflichtet.

 (DR)

domradio.de: Norbert Röttgen wollte ja an Gorleben als Atommülllager festhalten. Sind Sie da froh, dass mit Peter Altmaier ein neuer Umweltminister ins Amt kommt, der diese Idee vielleicht neu überdenken könnte?

Manemann: Ich weiß nicht, ob ich über den Wechsel froh sein soll. Ich weiß nicht, ob die Energiewende wirklich Anlass für die Entlassung Röttgens gewesen ist. Röttgen wollte an Gorleben als Vergleichsstandort festhalten. Jetzt kommt es darauf an, das nicht mehr zu tun; wir wissen, dass die Entscheidung für Gorleben eine politische war. Bei der Suche nach einem Atommüll-Lager wäre es wichtig festzuhalten, dass kein Lager ein Endlager sein darf. Der Atommüll muss so gelagert werden, dass er jederzeit rückholbar ist.



domradio.de: Glauben Sie daran, dass mit Altmaier neue Bewegung in die Diskussion kommen könnte?

Manemann: Das hängt davon ab, welche Beweggründe ausschlaggebend sind, Norbert Röttgen zu entlassen. Generell hat Altmaier die Möglichkeit, neu anzusetzen. Und das würde für mich bedeuten, dass er das aufgreift, was der Bischof von Hildesheim Norbert Trelle neulich bei seinem zweiten Besuch in der Asse gesagt hat: Es kommt darauf an, eine mitfühlende Perspektive einzunehmen. Der neue Umweltminister täte gut daran, sobald wie möglich die Orte Asse und Gorleben zu besuchen. Sich diesen Orten zu nähern, bedeutet sich den Ängsten und Sorgen der Menschen vor Ort zu öffnen. Die Probleme von Asse und Gorleben sind äußerst komplex; wer hier wirklich eine Lösung finden, muss Vertrauen schaffen. Dazu bedarf es vor allen Dingen der Transparenz. Es darf nicht weiter ver- und geschwiegen werden.



domradio.de: Die Energiewende, das meinen viele, kann mit dem neuen Umweltminister besser über die Bühne gehen  als mit Norbert Röttgen, der nach der Schlappe in NRW als "schwer beschädigt" galt.  Glauben Sie das auch?

Manemann: Wenn es sich hier tatsächlich um ein Autoritätsproblem handelt: dass Röttgen durch die Niederlage bei der NRW-Wahl so geschwächt worden sein soll, dann ist gerade wichtig, dass man entscheidender Stelle für die Energiewende jemanden hat, der die volle Autorität besitzt. Die Frage ist, ob der neue Umweltminister wirklich diesen Weg mit einschlagen wird. Dafür ist es auch wichtig, dass er gerade die Frage nach der Atommülllagerung nicht als eine rein technische begreift. Er muss Prinzipien entwickeln, nach denen wir unser Handeln ausrichten. Und das, was alle angeht, muss auch von allen mitdiskutiert werden. Dafür haben wir Prinzipien! Auf das Prinzip des Gemeinwohls ist jeder Politiker als Volksvertreter verpflichtet, nicht auf Parteiinteressen. Auch wir Bürger sind auf das Gemeinwohl verpflichtet; ein Kernprinzip der katholischen Soziallehre, von dem aus wir unser Handeln überprüfen und entsprechend eine Lösung finden müssen.



Zur Person: Prof. Dr. Jürgen Manemann ist Leiter des kirchlichen Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover.



Das Gespräch führte Hilde Regeniter - hören Sie es hier in voller Länge nach.