Bundespräsident Gauck wirbt für mehr Engagement im Alter

Zukunftsfähig bleiben

Zum lebenslangen Lernen hat Bundespräsident Joachim Gauck zum Auftakt des Seniorentages aufgerufen. "Wir leben gesünder, wir bekämpfen erfolgreich viele Krankheiten, wir arbeiten sicherer." Deshalb liege es jetzt in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft, das längere Leben zu einem Gewinn für alle zu machen.

 (DR)

"Ich wünsche mir, dass jene, die es wollen, länger im Beruf bleiben können", sagte Gauck am Donnerstag zur Eröffnung des zehnten Deutschen Seniorentages in Hamburg. Er rede auch "nicht allein vom Broterwerb, sondern bewusst von Tätigkeit". Die Übergänge zwischen den Lebensphasen und den Arten der Tätigkeiten müssten aber fließender gestaltet werden.



Gauck bezeichnet sich als Verbündeten

Er selbst gehöre dazu, sagte Gauck. Er sei ein Verbündeter, einer der "mit 72 Jahren eine ganz neue und ehrenvolle Aufgabe übernehmen durfte". Die höhere Lebenserwartung sei ein Geschenk, doch gleichzeitig läge es auch in der Verantwortung jedes einzelnen, das längere Leben zu einem Gewinn zu machen, forderte Gauck die rund 3.000 Teilnehmer des Seniorentags auf. "Gewiss ist es nicht jedem vergönnt, bis ins hohe Alter tätig zu bleiben. Es gibt Krankheiten, Schicksalsschläge", schränkte der Bundespräsident ein.



Zudem warb er für Mehrgenerationenhäuser und Arbeitsteilung unter den Generationen. "Vieles spricht dafür, dass wir im mittleren Alter anderen das geben, was wir uns selbst fürs hohe Alter wünschen - Zuwendung, liebevolle Pflege bei weitestgehender Autonomie."



Gauck betonte, beim Thema Pflegebedürftigkeit werde sich die Menschlichkeit der alternden Gesellschaft in Deutschland erweisen. "Gerade weil wir alle wieder lernen müssen, denn es wird nicht ohne die Haltung von Barmherzigkeit - oder nennen Sie es Solidarität miteinander - gehen." Vielen Menschen seien solche Werte in ihren beruflichen Lebensläufen abhandengekommen, sagte der Bundespräsident. "So müssen wir zum Teil wieder erlernen, was wir eventuell früher gewusst, aber dann verlernt haben bei unseren mannigfachen Formen von Egotrips oder unter unsozialen Arbeitsverhältnissen", gab Gauck zu bedenken.



Die Dinge anders gestalten

Gauck warnte alte Menschen zudem davor, sich von der Furcht, ein Pflegefall zu werden, oder von anderen Ängsten überwältigen zu lassen. "Wir sollten diese Befürchtungen als Anstoß nehmen, die Dinge anders und besser zu gestalten", sagte er.



"Tätig zu sein ist des Menschen erste Bestimmung", zitierte er den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Das widerspreche "manchem Bild vom Ruhestand". Viele ältere Menschen würden aber in eine Krise geraten, "wenn plötzlich Anerkennung durch Arbeit und Leistung und damit oft auch das soziale Umfeld wegbrechen".



Eine Herausforderung sei jedoch, "zukunftsfähig zu bleiben". Interesse und Mut zur Veränderung gehörten im Alter dazu. "Wie gut es gelingt, dieses Interesse wach zu halten, wird auch die Zukunft unsere Demokratie mit beeinflussen", sagte Gauck weiter.



Bundesfreiwilligendienst auch für Ältere geöffnet

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder betonte auf dem Seniorentag die Vorzüge des Alters - "mehr Erfahrung, mehr Gelassenheit, manchmal auch mehr Zeit zu haben". Dennoch bedeute das Alter natürlich ebenfalls, mehr Unterstützung in Anspruch nehmen zu müssen.



Die Aufgabe der Politik sei es, die Vielfältigkeit des Alters zu erkennen und aufzufangen. Die Einführung der Pflegezeit, die Öffnung des Bundesfreiwilligendienst für alle Altersstufen - das seien die richtigen Entscheidungen gewesen, sagte die CDU-Politikerin. Rund 20 Prozent der Engagierten seien über 50 Jahre alt.



Der Anteil der Älteren am Gemeinwohl werde vielfach unterschätzt, betonte Schröder. Weiter verwies die Ministerin auf die zu Jahresbeginn eingeführte Familienpflegezeit, die die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erleichtere. Zudem bereite die Bundesregierung eine "Nationale Allianz für Demenz" mit regionalen Hilfenetzwerken vor, um Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen besser zu unterstützen und um diese Krankheit endlich zu enttabuisieren, unterstrich die Ministerin.



Unter dem Motto "JA zum Alter" erwarten die Organisatoren des Seniorentages bis Samstag rund 20.000 Besucher. Veranstalter ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. In mehr als 100 Einzelveranstaltungen und an 230 Messeständen werden Informationen zu den Themen Wohnen, Gesundheit, Lernen und gesellschaftliche Teilhabe gegeben. Der Deutsche Seniorentag findet alle drei Jahre an wechselnden Orten statt.



"Wir brauchen Pro-Aging"

"Immer mehr Menschen werden immer älter - freuen wir uns darüber!", fordert die frühere Bundesfamilienministerin Ursula Lehr. Als Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und anerkannte Alternsforscherin verkörpert die 81-Jährige den Typus der "jungen Alten" schlechthin. "Wir sind gegen jede Anti-Agingkampagne, wir brauchen Pro-Aging", betont Ursula Lehr.