Vor 100 Jahren wurde der Verleger Axel C. Springer geboren

"Das größte Zeitungshaus Europas"

In den 60er Jahren war Axel Springer der umstrittenste Verleger Deutschlands. Mit Geschick und Glück hat er nach dem Krieg einen der größten Zeitungskonzerne Westeuropas aufgebaut. Vor 100 Jahren, am 2. Mai 1912, wurde er geboren. Der Machtmensch Springer sei ein zutiefst religiöser Mensch gewesen, schildert Theologe Uwe Wolff im domradio.de-Interview.

Autor/in:
Diemut Roether
 (DR)

Er war der Lieblingsfeind der 68er. Als im April 1968 in Berlin ein Hilfsarbeiter dreimal auf Rudi Dutschke schoss und den charismatischen Führer der Studentenbewegung lebensgefährlich verletzte, zogen am Abend aufgebrachte Demonstranten mit den Rufen "Springer, Mörder!" zur Springer-Zentrale nach Kreuzberg und versuchten, die Auslieferung der "Bild"-Zeitung zu verhindern.



Für sie war klar, dass der Verleger Axel Cäsar Springer (1912-1985) und seine Redakteure die geistigen Brandstifter waren. Mit Schlagzeilen wie "Stoppt den Terror der Jung-Roten" hatten sie gegen die Studentenbewegung aufgehetzt.



In den 60ern auf dem Höhepunkt seiner verlegerischen Macht

Axel Springer, geboren am 2. Mai 1912 in Altona als Sohn eines Druckers und Kleinverlegers, war in den 60er Jahren auf dem Höhepunkt seiner verlegerischen Macht. Binnen weniger Jahre hatte er nach dem Krieg das größte Verlagshaus Westdeutschlands aufgebaut. In den 60ern beherrschte Springer 70 Prozent des West-Berliner Zeitungsmarkts.



Nicht nur Studenten und Linke forderten, Springer zu enteignen, auch die Kollegen Verleger intervenierten bei der Bundesregierung: Eine Kommission sollte die Konzentration im deutschen Pressewesen untersuchen.



Mit viel Geschick und dank guter Kontakte zu den britischen Presseoffizieren, die nach dem Krieg die Lizenzen für neue Zeitungen vergaben, hatte der gelernte Drucker Axel Springer seinen Konzern aufgebaut. Erster Goldesel war die Radio- und Fernsehzeitschrift "Hörzu". Die Zeitschrift wuchs rasch, von 250.000 Exemplaren im Jahr 1947 auf mehr als drei Millionen 1959, und sie brachte Springer das nötige Kapital für seine weiteren Projekte.



Mit dem "Hamburger Abendblatt" startete Springer 1948 eine Lokalzeitung neuen Typs: populär sollte sie sein, den Menschen und das Menschliche wieder entdecken. Beworben wurde die Zeitung mit dem Slogan "Seid nett zueinander".



Boulevardblatt Bild - Zeitung mit "human touch"

Auch die Boulevardzeitung "Bild" war bei ihrer Gründung 1952 eine Zeitung neuen Typs in Deutschland. Der Verleger hatte in London die Boulevardzeitungen studiert und gemerkt, wie wichtig der "human touch" ist. "Bild" sollte nach seinem Willen eine "unernste, antikonventionelle Zeitung" sein, den ersten Chefredakteur Rudolf Michael ermahnte er 1953: "Wir sollten die politische Schlagzeile nicht kultivieren."



Das sollte sich bald ändern. Bereits 1957 nutzte Springer seine Zeitungen, zu denen ab 1953 auch "Die Welt" gehörte, für eine publizistische Kampagne gegen die Lagerung von Atomwaffen in der Bundesrepublik. Der Verleger, der damals glaubte, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten stehe kurz bevor, sah diese durch die Pläne der NATO in Gefahr. Im festen Glauben an die deutsch-deutsche Vereinigung und die strategisch wichtige Rolle Berlins baute er einen Verlagssitz in der geteilten Stadt, nahe der Mauer.



Für die Wiedervereinigung arbeitete Springer einen Plan aus, den er Anfang 1958 in einem persönlichen Gespräch dem damaligen sowjetischen Machthaber Nikita Chruschtschow unterbreiten wollte. Der Kremlchef ließ den Verleger in Moskau mit seinem reichlich naiven Vorhaben jedoch abblitzen. Hohn und Spott schlugen dem Hobbypolitiker entgegen, als er nach Deutschland zurückkehrte. Die persönliche Kränkung durch Chruschtschow wird von vielen Beobachtern als auslösendes Moment für den strikt antisowjetischen Kurs gewertet, den Springer fortan in seinen Zeitungen durchsetzte.



In Israel fand der Verleger in den 60er Jahren eine zweite Heimat. Seit 1967 müssen alle Redakteure, die bei Springer arbeiten, unterschreiben, dass sie sich für eine Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen einsetzen und die Lebensrechte des israelischen Volkes unterstützen.



Springer suchte Halt im Glauben

Springer, der als junger Mann an Horoskope glaubte, suchte und fand im Laufe der Jahre zunehmend Halt im Glauben. Da ihn die Entwicklung der evangelischen Kirche in Berlin nach links störte, fand er schließlich bei den konservativen Alt-Lutheranern eine Heimat. Auf dem Grabstein des am 22. September 1985 gestorbenen Verlegers steht: "Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, obgleich er stürbe."



Das Bild, das Biografen, Freunde und Gegner von Springer zeichnen, ist bis heute widersprüchlich. Die einen sehen in ihm einen geistigen Brandstifter und Egomanen, die anderen einen großen Menschenfreund und Visionär der Einheit. Auch seine zahlreichen Ehen und Amouren sorgten für Kritik. Doch auch seine Kritiker müssen ihm zugestehen, dass er ein großer Zeitungsgründer war, der mit sicherem Gespür für den Geschmack der Masse einen der größten Verlagskonzerne Europas aufbaute.



Er selbst scheint das früh geahnt zu haben. Wenige Monate vor Kriegsende hatte der damals 32 Jahre alte Axel Springer seinen Eltern angekündigt: "Bald wird das freie Wort in Deutschland wieder gelten. Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen." Der Vater war skeptisch: "Ich glaube, der Junge ist verrückt geworden", sagte er zu seiner Frau. Die entgegnete: "Bei ihm weiß man das nicht so genau."