Tausende protestieren gegen Neonazi-Aufmarsch in Bonn

"Unser Kreuz hat keine Haken"

Rund 10.000 Menschen haben am Dienstag in Bonn gegen einen Aufmarsch von etwa 200 Neonazis demonstriert. Knapp 30 Gegenveranstaltungen waren nach Polizeiangaben angemeldet worden, darunter Kundgebungen, Mahnwachen, Schüleraktionen und Gottesdienste.

 (DR)

"Wir sind froh, dass wir uns durchweg friedlich quer gegen die Nazis gestellt haben", sagte Susanne Rohde vom Bündnis "Bonn stellt sich quer" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Bündnis kritisierte jedoch, dass die Polizei zwei friedliche Sitzblockaden mit Pfefferspray und Knüppeln unterbunden habe.



Laut Polizei kam es im Vorfeld zu zwei kleineren Auseinandersetzungen, als Gegendemonstranten versuchten, die Polizeisperren zu durchbrechen. Wegen einer kurzfristigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom Montagnachmittag hatte die Polizei die geplante Route der Neonazis im Bonner Stadtteil Beuel verkürzt.



Polizeisprecher Carsten Möllers sprach von einem friedlichen Verlauf. "Die Bonner haben in vielen schönen Aktionen ihr Demokratieverständnis gezeigt", sagte Möllers. Die Bonner Polizei wolle auch künftig den friedfertigen bürgerlichen Protest gegen Rechts unterstützen. Im Fall von weiteren rechtsextremistischen Kundgebungen sollten die Gegendemonstranten weiterhin die Möglichkeit zu Mahnwachen direkt in Sicht- und Hörweite erhalten.



Andreas Buderus vom Bündnis "Bonn stellt sich quer" wertete es als Erfolg es, dass sich von den 300 angekündigten Neonazis unter 200 nach Bonn gekommen seien. Wegen der Vielzahl an Gegenveranstaltungen seien sie nur mit großen Verzögerungen auf ihrer Route vorangekommen. "Wir stehen auf gegen Faschisten in unserer Stadt. Der 1. Mai muss nazifrei bleiben", sagte Buderus.



Unter dem Motto "Unser Kreuz hat keine Haken" beteiligten sich auch die katholischen und evangelischen Gemeinden Bonns am friedlichen Protest. Stadtdechant Wilfried Schumacher und Superintendent Eckart Wüster luden zum ökumenischen Gebet ins Bonner Münster. "Die Ideologie der Neonazis ist menschenverachtend, weil sie bestimmte Gruppen von Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausschließen und dies auch mit Gewalt durchsetzen will", erklärte Superintendent Wüster. Es bereiche ihm Sorge, dass "bestimmte Thesen der Rechtsradikalen nach und nach immer mehr Zustimmung in der Mitte unserer Gesellschaft erhalten".



Stadtdechant predigt gegen Menschenfeindlicheit

Ein starkes Zeichen für Frieden, Fremdenliebe und Gerechtigkeit nannte Msgr. Schumacher in seiner Predigt die Gottesdienste der christlichen Kirchen und die friedlichen Proteste. Angesichts der weitverbreiteten Meinung, Kirchen sollten sich nicht in Politik einmischen, sagte der Geistliche: "Jesus fordert zur Einmischung auf: um das aufzubauen und zu stärken, was dem Frieden und der Gerechtigkeit dient; aber auch um das niederzureißen, was unter den Menschen Tod und Verderben sät."



Mit dem Protest gegen rechte Ideologen, Rechtsextremismus und menschenverachtende Gewalt stehe man am Bonner Münster in einer guten Tradition. Schumacher erinnerte daran das sein Vorgänger, Dechant Hinsenkamp sowohl vor als auch nach 1933 den Nationalsozialismus ebenso fest wie scharf ablehnte. Bei ihm bei ihnen hätten Menschen, die aus politischen und rassischen Gründen verfolgt wurden, immer eine Zuflucht gefunden. Das Münster Pfarrhaus sei ein Asyl der Freiheit und des ungehinderten Meinungsaustausches gewesen.



Im Anschluss an die Eucharistiefeier, an der rund 200 Gläubige teilnahmen, versammelten sich um 12:15 Uhr noch einmal ebenso viele Menschen im Münster, um an einem Mittagsgebet teilzunehmen, das von Stadtdechant Schumacher und Superintendent Wüster geleitet wurde. Die Kreuzkirche hatte anschließend zur kirchenmusikalischen Andacht eingeladen. In der Beueler St.Josef Kirche kamen mehrere Hundert zu einem ökumenischen Friedensgebet zusammen.