Dogmatikprofessor Hoping zur Deutung des Papstbriefes zur Einsetzungsformel

"Die Diskussion ist beendet"

In der liturgischen Einsetzungsformel muss es künftig gemäß dem Urtext heißen: "Mein Blut, das für Euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Was bedeutet der Wunsch des Papstes für die Bischöfe und die Gottesdienstteilnehmer? Für Helmut Hoping, Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft und Berater der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, ist die Lage klar.

 (DR)

domradio.de: Für viele, für alle - worin liegt eigentlich die Brisanz, Übersetzungen sind doch beide Formulierungen?

Prof. Hoping: Die Brisanz liegt darin, dass manche meinen, dass wenn man "für viele" sagt, dort die Heilsbedeutsamkeit des Todes Jesu für alle bestritten würde. Das ist allerdings nicht der Fall, wie der Papst in seinem Schreiben auch deutlich macht. Es besteht Konsens, dass Jesus für alle gestorben ist. Aber die konkrete geschichtliche Ausprägung der Heilsbedeutsamkeit des Todes Jesu in der Kirche zeigt eben, dass diejenigen, die mit Christus durch Glaube und Taufe verbunden sind, nicht "alle" sind, sondern "viele". Man muss eben den gottesdienstlichen Kontext berücksichtigen, indem auch Jesus die Worte über Brot und Wein sprach. Das Brot des Lebens und der Kelch des Heils wird nicht "allen" gereicht, sondern denen, die mit Christus verbunden sind und das sind "viele". Das Wirken Jesu hat auf die Sammlung Israels abgezielt und auf die die Sammlung der Völker im Sinne der Völkerwallfahrt. Aber es sind nicht "alle", die diesem Ruf Jesu gefolgt sind, und deshalb sind es nicht "alle", die mit Jesus verbunden sind. Man muss also die seinsmäßige Ebene, dass Jesus für "alle" gestorben ist, unterscheiden vom gottesdienstlichen Kontext, in dem diese Worte gesprochen wurden.



domradio.de: Wenn theologisch dasselbe gemeint ist, könnte man ja auch pragmatisch sagen, wir belassen es bei der Formulierung "für alle" und sparen uns die ganze Diskussion - warum möchte der Papst dennoch diese Änderung?

Prof. Hoping: Das ist ein Missverständnis. Wenn es in der Schrift bei Matthäus und Markus heißt: "Mein Blut vergossen für "viele", "peri" bzw. "hyper pollon", dann meint das sachlich eben nicht "alle". Die Exegeten und Theologen, die das behaupten, berufen sich auf eine These von Joachim Jeremias, der meinte, dass das hier sachlich "für alle" heißt. Das ist aber nicht richtig. Diesen Konsens gibt es in der Exegese auch nicht mehr, der ist zerbrochen. Wenn Jesus von "vielen" spricht, dann sagt er das auf dem Hintergrund des vierten Gottesknechtslieds und der Sammlung Israels und der Völkerwallfahrt. Man sollte nicht den Fehler begehen, die aktuelle Diskussion um die Frage, ob am Ende die Menschen alle gerettet werden, jetzt in die Einsetzungsworte hineinzulesen. Das ist eine Interpretation. Natürlich erwächst aus dem christlichen Glauben die Hoffnung für alle Menschen, aber man muss hier eben sehen, dass "pro multis" im lateinischen Messbuch eine Wiedergabe der Schriftaussagen ist. Und hier kommt es schon darauf an, präzise im Sinne einer schriftgemäßen Aussage des "pro multis" in den Einsetzungsworten zu übersetzen.



domradio.de: Der Papst dringt schon seit einigen Jahren auf diese Änderung - warum haben die deutschen Bischöfe das nicht schon längst umgesetzt?

Prof. Hoping: Das müssen sie die deutschen Bischöfe fragen! 2006 kam es zu einem Brief des damaligen Präfekten des Gottesdienstkongretation,  Kardinal Arinze, in dem er darauf hinwies, dass im zukünftigen revidierten deutschen Messbuch "für alle" als Übersetzung nicht mehr akzeptiert werden wird vom Heiligen Stuhl. Deshalb wurden alle Bischöfe weltweit aufgefordert, hier mit Katechesen unverzüglich innerhalb von ein bis zwei Jahren zu beginnen, in denen diese Entscheidung den Priestern und Gläubigen vermittelt wird. Das ist, und drauf weist der Papst in seinem Brief ja auch hin, in Deutschland nicht geschehen. Jetzt wird die Entscheidung noch einmal verbindlicher durch das Schreiben des Papstes und der Papst erwartet auch, natürlich im Sinne einer Bitte formuliert, dass das jetzt umgesetzt wird.



Ich habe Kardinal Meisner so verstanden, dass die deutschen Bischöfe gewillt sind, jetzt mit diesen Katechesen zu beginnen. Die Bischöfe werden also dem Wunsch des Heiligen Vaters nachkommen, und es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig. Das ist eine sehr klare Aussage des Papstes und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat ja auch in seiner Stellungnahme gesagt, dass dieser Brief das Ende einer Diskussion darstelle. Das würde ich genauso sehen. Die Diskussion ist beendet, auch wenn die theologischen Diskussionen weitergehen werden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das neue Gotteslob ohne die Korrektur erscheinen wird, das wird nicht möglich sein.

Das Interview führte Mathias Peter.



Hintergrund

Papst Benedikt XVI. hat in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben die deutschen Bischöfe aufgefordert, dafür zu sorgen, dass bei Messfeiern wieder die ursprünglichen Worte Jesu gesprochen werden. In der sogenannten Einsetzungsformel müsse es künftig gemäß dem Urtext heißen: "mein Blut, das für Euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Das Schreiben ist gerichtet an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Darin betont der Papst, dass die seit der Liturgiereform von 1970 übliche Formel "für Euch und für alle" nur eine interpretierende Übersetzung sei.