Ein Gast-Kommentar des Leiters der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan

Sieben Jahre Papst Benedikt XVI.

Als Papst, der "im Wort" und "in der Zeit" wirkt, beschreibt der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord, Benedikt XVI. anlässlich des Pontifikats-Jubiläums: "Benedikt XVI. ist kein Papst des historischen Augenblicks", schreibt der Jesuit in einem Gast-Kommentar für domradio.de.

 (DR)

Geunkt wurde sehr schnell, dass wir einen Übergangspapst hätten. Gleich nach der Wahl im April 2005 hieß es, ein schon so alter Papst, der schon so lange im Vatikan arbeite, sei gewählt worden, um Zeit zu haben, den nächsten auszuwählen.



Das war offensichtlich falsch. An diesem Donnerstag sind es sieben Jahre, die Benedikt XVI. Bischof von Rom ist. Und das ist beim besten Willen schon rein zeitlich kein Übergang mehr. Dieser Papst hat seine Prägungen hinterlassen und er wird es auch weiterhin tun. Allerdings: Wer nach so vielen Jahren Johannes Paul II. meinte, das Papsttum des 21. Jahrhunderts erblickt zu haben, der ist enttäuscht worden. Benedikt ist sein eigener Papst.



Nicht des Augenblicks wegen

Er ist kein Papst des historischen Augenblicks. Sein Einsatz gegen den Relativismus, den er bereits in der Predigt vor seiner Wahl deutlich formuliert hat, sucht nicht den "Fall der Mauer", von dem sein Vorgänger profitieren konnte. Er will nicht den Augenblick, fast scheint es, als schrecke er sogar vor den "besonderen Augenblicken" zurück. Bei den Papstreisen ist das deutlich zu sehen und zu hören: Benedikt XVI. kommt einer Botschaft, nicht eines Momentes wegen.



Er ist kein Papst des historischen Augenblicks, sein Thema ist der Glaube heute. So ganz banal kann man das ausdrücken. Und das bedeutet eben eine längere und weniger spektakuläre Auseinandersetzung. Und auch Benedikts "Gegner" sind unsichtbarer, sind elusiver, sind nicht klar benennbar wie es der Konsumismus und der Kommunismus waren (und sind, wenn man an den ersteren denkt). Und so zielt sein Denken und Sprechen auf langfristige Prozesse und nicht auf die Entscheidung des Augenblicks.



Nebenwirkung: Medial ist das schlecht aufbereitbar. Die Öffentlichkeit sucht den Kontrast des Augenblicks, genau das beliefert Benedikt XVI. nicht. Den Preis dafür zahlt er auch, wie Prälat Georg Gänswein neulich im Müncher Presseclub festgestellt hat: Wenn man die Medien so lese, dann lesen man eine Verzeichnung dessen, für was der Papst stehe, so Gänswein.



Zentrum des Pontifikats

Wahrheit und Liebe: Wenn ich selber zwei Begriffe benennen sollte, die ich am häufigsten höre und lese, dann würde ich diese beiden nennen. Das ist nicht sehr originell, beschreibt aber recht passend, wie ich sein Spannungsfeld wahrnehme: Er sieht und Menschen in einer Welt, die Gefahr läuft, sich selber aufzugeben. Er will eine menschliche Gesellschaft, die von Werten und vor allem von Wahrheit geleitet ist, nicht von der Machfrage, auf die letztlich der Relativismus hinausläuft.



Um wirklich Mensch zu sein und wirklich Geschöpf Gottes zu sein, müssen wir so leben, wie es uns gemäß ist. Und zu unserer Geschöpflichkeit gehört eben dazu, dass wir diese Geschöpflichkeit auch anerkennen, samt den Konsequenzen, die das hat. Wir können nicht ohne Wahrheit auskommen. Wir können nicht ohne Kategorien leben, die außerhalb unserer eigenen Entscheidungsgewalt liegen. Man mag mit dem Begriff des Naturrechts kommen, aber das Denken des Papstes geht darüber hinaus: Wir verlieren uns selbst, wenn wir den Anspruch aufgeben, dass es eine Wahrheit für uns gibt. Eine Wahrheit, die sich in Christus offenbart hat, und hier kommt der zweite Begriff ins Spiel: Liebe.



Benedikt XVI. ist kein sentimentaler Denker. Liebe ist nichts Gefühliges, nichts augenaufschlagend-Emotionales. Liebe bedeutet Hingabe, bedeutet Beziehung, die durch Dick und Dünn gehen will. Und die beginnt nicht bei uns - hier treffen sich Wahrheit und Liebe - sondern die beginnt bei Gott.



Entweltlichund und Relativismus

Liebe, Freundschaft, Beziehung: Was sich anhört wie 80er Jahre Religionspädagogik geht zurück auf den Kern der Liebe Gottes zum Menschen.



Dazu passen dann auch die Begriffe, die immer wieder als Kennzeichnend für Benedikt XVI. genommen werden, seien sie älteren oder jüngeren Ursprungs: "Entweltlichung’ passt dazu, weil nur ein Denken, dass sich nicht von der Welt abhängig macht, offen sein kann für das, was größer ist als unsere Welt. "Relativismus’ passt dazu, weil dahinter die Frage liegt, ob ich etwas zu akzeptieren bereit bin, was unhinterfragbar ist. Gott eben. Oder die Wahrheit.



Das Wort, das Argument und das Gebet

All das will er aber nicht - und damit sind wir zurück beim Augenblick - mit der Macht seiner Persönlichkeit vertreten. Es ist das Wort, das Argument und die Einsicht, die der Papst vorzieht. Natürlich zuerst und zunächst die Liturgie, also die uns gemäße Antwort auf die Liebe Gottes in Jesus Christus. Wenn es aber um das Zwischenmenschliche geht, dann zählt nicht das Charisma, der Augenblick, die Rührung oder der Schwung, sondern das allmähliche, deswegen nicht weniger starke, hartnäckige Argument. Man nehme wahllos einen Band der gesammelten Werte und man wird sehen, wie geradezu gleich klingend (nicht im Inhalt, sondern im Ton) das ist, was der Papst als Theologe geschrieben hat.



Und der Grundtenor dieser Gedanken durchzieht die Reisen, Katechese, Ansprachen, Enzykliken, kurz: das Pontifikat Benedikts XVI. Und das ist das, was uns auch von diesem Papst bleiben wird, für die nächsten Jahre des Pontifikates und für die Zeit danach.