Hilfsorganisationen besorgt über Entwicklung in Mali

Konflikt am Ende der Welt

Nach dem Putsch droht in Mali eine Nahrungsmittelkrise. Angesichts hoher Preise für Lebensmittel und der politischen Instabilität ist die Lage laut Unicef sehr ernst. Seit Beginn des Konflikts zwischen Tuareg-Rebellen und Regierungstruppen hätten sich 200.000 Menschen in Mali auf die Flucht begeben. Am Wochenende waren bei Kämpfen ein Caritas-Büro und eine Kirchenzentrum zerstört worden.

In Mali droht eine Hungerkrise (KNA)
In Mali droht eine Hungerkrise / ( KNA )

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat sich "tief besorgt" über die Entwicklung der Lage in Mali geäußert. Im Norden des Landes werde die Situation durch bewaffnete Gruppen immer gefährlicher, sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming.



UNHCR: Akute Wasserknappheit droht

Allein in den vergangenen fünf Tagen hätten 2.000 Menschen das Land Richtung Burkina Faso und Mauretanien verlassen, so Fleming. Das Flüchtlingshilfswerk erhöht nach eigenen Angaben seine Hilfe für Flüchtlinge aus Mali. Verstärkt werde die Unterstützung besonders in den Anrainerstaaten, die trotz bereits bestehender Versorgungsengpässe und schwieriger Umstände Zuflucht für Menschen aus Mali böten. Die gesamte Sahel-Region stehe vor einer akuten Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, sagte Fleming.



Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reisewarnung und rät nun dringend von Reisen nach Mali ab. Deutsche, die sich im Land aufhalten, werden zur Ausreise aufgefordert, solange es noch Verkehrsmittel gebe.



Kirchenzentrum angegriffen

In der Stadt Gao ist das Caritas-Büro von Tuareg-Rebellen zerstört worden. Die Mitarbeiter seien unmittelbar vor der Eroberung der Stadt am Wochenende geflohen; das Zentrum des katholischen Hilfswerks und die örtliche Kirche seien Ziel von Angriffen geworden, teilte der vatikanische Dachverband Caritas internationalis in Rom unter Berufung auf lokale Mitarbeiter mit.



In Gao seien jetzt noch rund 200 Mitglieder der katholischen Gemeinde. "Sie halten sich versteckt und fürchten um ihr Leben", sagte der Leiter der Caritas Gao, Frère Jean-Jacques. Die Tuareg-Rebellen der "Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad" (MNLA) sollen mit Kämpfern der islamistischen Gruppe Ansar Eddine kooperieren. Diese haben angeblich Verbindungen zum nordafrikanischen Zweig von Al Kaida und wollen die Scharia durchsetzen.



Unterdessen sei die Lage für Katholiken in Malis Hauptstadt Bamako ruhig. Die Mitarbeiter beobachteten die Entwicklung im Norden, sagte der Generalsekretär der Caritas Mali, Theodore Togo. Abgesehen von Gao und Mopti setze das Hilfswerk seine humanitäre Arbeit fort.



Caritas Mali will Hilfsprogramm fortsetzen

Nach Angaben des vatikanischen Dachverbands verteilt Caritas Mali Mais, Hirse, Reis und Sorghum sowie Saatgut an 100.000 Menschen, die von einer wachsenden Nahrungsmittelkrise in dem westafrikanischen Land bedroht seien. Zudem versorge die Organisation Flüchtlinge, die vor dem Konflikt in südliche Landesteile ausweichen. "Wenn die Rebellen ihre Aktivitäten auf den Norden beschränken, kann die Mehrheit unserer Hilfsprogramme wie geplant fortgesetzt werden", sagte Togo.



Die deutsche Regierung hat unterdessen die staatliche Kooperation mit Mali auf Eis gelegt. Dort solle nur noch unmittelbare, staatsferne Entwicklungshilfe geleistet werden, erklärte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). So seien nur die Putschisten und nicht die Bürger getroffen.



Niebel: Handelsembargo könnte Krise verschärfen

Die umfassenden Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrssanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) können nach Einschätzung des Ministeriums in wenigen Tagen zu empfindlicher Knappheit bei Nahrungsmitteln und Brennstoffen führen.



Als Folge des Putsches in der Nacht zum 22. März könnten sich nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes soziale Spannungen drastisch verschärfen und schwer zu kontrollierende Unruhen ausbrechen. Schwer bewaffnete Tuareg-Rebellen seien nach der Einnahme von Timbuktu und Gao bereits tief in die Verwaltungsprovinz Mopti eingedrungen. Nach der angekündigten Schließung der Grenzen durch die Nachbarstaaten sei unklar, ob und wie lange der internationale Flughafen in Bamako seinen Betrieb aufrechterhalten könne.



Ouattara: Schlag gegen die Demokratie

Die ECOWAS verhängte ein sofortiges Handelsembargo gegen Mali, um die Militärs zum Rückzug von der Macht zu zwingen. Alle Grenzen seien geschlossen worden, sagte der ECOWAS-Vorsitzende Allasane Ouattara, der Präsident der Elfenbeinküste ist, nach einem Sondergipfel. Im Laufe des Dienstags wollte auch der UN-Sicherheitsrat in New York zu einer Krisensitzung zusammenkommen. "Die Lage in Mali ist extrem ernst", sagte Ouattara laut dem britischen Sender BBC. "Es ist ein Schlag gegen die Demokratie und ein Angriff auf die territoriale Einheit des Landes."



Tuareg-Rebellen und islamistische Kämpfer im Norden hatten am Wochenende die Städte Timbuktu, Kidal und Gao eingenommen. Der Konflikt mit der Tuareg-Minderheit im Norden hatte in den vergangenen Monaten an Schärfe gewonnen. Aus Libyen waren schwer bewaffnete Tuareg nach Mali zurückgekehrt, die in Libyen für Gaddafi tätig gewesen waren. Am 22. März hatten in Mali Militärs die Macht übernommen und den gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré gestürzt. Die Putschisten um Hauptmann Amadou Sonogo begründeten ihren Staatsstreich mit der Schwäche der Armee gegenüber den Tuareg-Rebellen. Die Tuareg-Rebellen im Norden nutzten die unklare Situation nach dem Putsch, um große Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.



Konflikt mit Tuareg hat lange Vorgeschichte

Die Wurzel des Konflikts mit Tuareg-Nomaden, ein in Mali, Niger, Algerien und Libyen beheimatetes Volk, reichen weit zurück. Seit den kolonialen Verwaltungen des 19. Jahrhunderts fordern sie mehr Unabhängigkeit. Mehrfach kam es bereits in der Vergangenheit zu Aufständen, weil die Regierung Hilfszusagen nach Dürren in den 70er und 80er Jahren nicht eingehalten hat. Heute sind bis zu sieben Prozent der malischen Bevölkerung Tuareg.



Mali gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und liegt in der trockenen Sahelzone im Süden der Sahara. Seit dem Ende der Diktatur 1991 galt der Staat als eines der Musterländer der Demokratie in Afrika.