Präses Schneider zwei Wochen vor Heilig-Rock-Wallfahrt

"Die Ausrichtung ist evangeliumsgemäß"

Trotz Kritik aus den eigenen Reihen steht Nikolaus Schneider zur Beteiligung seiner Landeskirche an der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier vom 13. April bis 13. Mai. Für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland kann der Heilige Rock als Symbol für die Einheit der Christen auch Protestanten in Bewegung setzen.

 (DR)

KNA: Herr Präses Schneider, warum haben Sie die Einladung zur Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier angenommen?

Schneider: Es gibt in der Evangelischen Kirche im Rheinland eine gewisse Tradition: Schon Bischof Hermann-Josef Spital hatte 1996 meinen Vorgänger Peter Beier eingeladen, dieser hatte die Einladung angenommen und die Wallfahrt mitgestaltet und ein Wallfahrtslied gedichtet. Als Bischof Ackermann auf mich zukam, habe ich diese Tradition gerne aufgenommen, denn die Ausrichtung dieser Wallfahrt ist aus meiner Sicht - ich will nicht sagen evangelisch, aber evangeliumsgemäß. Es wird kein Stoff verehrt, sondern der ungeteilte Rock ist ein Symbol für die ungeteilte Kirche Jesu Christi, er stellt uns das als Ziel vor Augen. Und dieses Symbol setzt uns in Bewegung hin zu den Menschen.



KNA: Waren Sie selbst 1996 bei der Wallfahrt schon dabei?

Schneider: Ich war damals Superintendent im Rheinland und kann mich noch gut an die Superintendenten-Konferenz erinnern, in der Peter Beier uns sagte, dass die Rheinische Kirche sich beteiligen werde. Ich gehörte auch zu denen, die gesagt haben: Was soll das denn? Peter Beier hat das dann sehr gut erklärt. Ich selbst war zwar 1996 nicht in Trier dabei, allerdings gab es danach immer wieder Ökumene-Foren bei den jährlichen "Heilig-Rock-Tagen". Bei diesen war ich dann mehrmals Gast.



KNA: Trotz dieser Vorgeschichte und der von Ihnen dargestellten Ausrichtung gibt es in Ihrer Landeskirche eine zum Teil heftige Kritik an der Wallfahrts-Teilnahme, einmal an der Wallfahrt als solcher und zum anderen an der Reliquie des Heiligen Rocks. Welchen Teil der Kritik können Sie am ehesten verstehen?

Schneider: Es gibt eine sozusagen milieubedingte Kritik, für die ich viel Verständnis habe: Wallfahrt gilt als typisch katholisch, und sich dem zu verweigern, ist dann typisch evangelisch. Das weckt Gefühle der Fremdheit und der Abwehr. Dann gibt es die Frage, inwieweit das, was theologisch klar ist, auch im Bewusstsein der Menschen und in der Frömmigkeit angekommen ist, damit es nicht zu Unklarheiten im eigenen Glaubensverständnis kommt. Diese Kritik nehme ich sehr ernst. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es nicht zu Unklarheiten kommt, denn wir Evangelischen verehren keine Reliquien. Das ist ein Stück Stoff, und wir sind uns einig, der Rock, der da liegt, stammt aus dem Mittelalter, er wurde nicht von Jesus getragen. Aber selbst wenn es so wäre, wäre es kein Grund, ihn zu verehren, sondern er ist ein Symbol. Wie es Wallfahrtsleiter Georg Bätzing gesagt hat: Was für die Orthodoxie eine Ikone ist und für den Protestantismus eine theologische These, das soll der Heilige Rock für diese Wallfahrt sein. Und das ist eine, wie ich finde, evangeliumsgemäße Interpretation.



KNA: Ein weiteres Reizthema ist die Ablassfrage ...

Schneider: Ich habe es als eine wichtige Geste in unsere Richtung empfunden, dass das Bistum Trier sehr bewusst darauf verzichtet hat, einen besonderen Ablass in Rom für diese Wallfahrt zu beantragen. Die Verantwortlichen machen damit ganz deutlich, dass unser Seelenheil und die Vergebung unserer Sünden bei Christus allein sind und dass wir mit frommen Werken nichts erwerben können. Für evangelische Theologie ist es aber problematisch, dass es aufgrund der allgemeinen katholischen Ablasslehre natürlich möglich ist, mit einer solchen Wallfahrt einen Ablass zu erlangen. Deshalb sagen manche: Egal, ob da ein besonderer Ablass beantragt wird oder nicht, wir sind gefangen in diesem Denken. Hier habe ich eine etwas größere Distanz und werte diese Geste positiv. Es wäre vielleicht auch ein bisschen kühn zu sagen, erst muss alles völlig evangelisch werden, bevor wir mitgehen können. Es ist nun mal ein katholisches Ereignis, und Bischof Ackermann ist weiterhin katholisch. Und das soll ja auch so sein. Da muss man in seinen Erwartungen realistisch bleiben.



KNA: Wieviel Zustimmung und wieviel Ablehnung war unter den Reaktionen aus Ihrer Landeskirche?

Schneider: Es fällt mir sehr schwer, das zu quantifizieren, weil wir keine Statistik darüber erhoben haben. Aber auffällig ist: Die Kirchenkreise aus dem Bistum Trier, die die Ökumene, wie sie dort gelebt wird, im Hintergrund haben, sagen alle, sie freuen sich darüber, dass die gesamte rheinische Kirche diese Einladung angenommen hat. Es ist also durchaus auch kontextgebunden. Und in den anderen Regionen gibt es eher fragende Positionen, aber das führte nicht zu einer Riesendebatte, etwa in unserer Synode, aber natürlich gibt es intensive Diskussionen.



KNA: Wie wird sich die Landeskirche konkret an den vier Wochen der Wallfahrt beteiligen?

Schneider: Wir beteiligen uns durch die Kirchenkreise und Gemeinden vor Ort, die am Wallfahrtsgeschehen teilnehmen. Ich selbst werde an Gottesdiensten teilnehmen. Ich war beim Ökumenischen Forum Anfang Februar dabei, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, die bei uns für Ökumene zuständig ist, war dabei, als der Heilige Rock aufgedeckt wurde. Wir sind also in vielfacher Hinsicht bei einzelnen für die Wallfahrt wichtigen liturgischen Akten dabei.



KNA: Was macht das Besondere des Heiligen Rocks für die Ökumene aus, das vielleicht durch andere Symbole so nicht zum Tragen kommt?

Schneider: Das ist der ungeteilte Rock, der darauf aufmerksam macht, dass wir als Kirchen Jesu Christi zusammengehören und die Einheit in Christus vorgegeben ist. Unsere Aufgabe besteht darin, das nachzubilden, was Christus von uns erwartet, was er selber als Aufgabe formuliert im Hohepriesterlichen Gebet im Johannesevangelium. Dafür ist der Rock wirklich ein wunderbares Symbol. Es liegt noch eine besondere Spitze in der Symbolik: Dass der Rock nicht zerteilt wurde, ging auf die römischen Soldaten zurück. Das heißt, dass wir als eine Kirche erkennbar werden, ist eine berechtigte Erwartung, die aus der Welt an die Kirche gerichtet wird. Das ist eine besondere Herausforderung, denn wenn wir unseren Glauben bezeugen und die Menschen gewinnen wollen, dient die Einheit in der Kirche Jesu Christi diesem Ziel, im Johannesevangelium heißt es ja, wir sollen alle eins sein, "damit die Welt glaube". Und das ist die stärkste Symbolik, die im Heiligen Rock enthalten ist.



Das Gespräch führte Norbert Zonker.