Mit Gedenkveranstaltungen wird an Luftangriff vor 70 Jahren erinnert

Die Bombennacht von Lübeck

Am Palmsonntag vor 70 Jahren legten britische Bomben Lübeck in Schutt und Asche. Mit dem Angriff starteten die Alliierten eine neue Kriegsstrategie. Es ging darum, die Bevölkerung zu demoralisieren. Die Bombardierung war die britische Reaktion auf den deutschen Luftangriff auf Coventry. Für seine Predigt nach der Bombennacht wurde der "Lübecker Märtyrer" Pastor Stellbrink verhaftet.

Autor/in:
Felix von Gehren
 (DR)

Zahlreiche Gedenkveranstaltungen in Lübeck geplant

Die kalte, sternenklare Nacht bescherte den britischen Bombern beste Sichtflugbedingungen: In der Nacht zum Palmsonntag am 29. März 1942 fiel Lübeck dem ersten britischen Luftangriff zum Opfer, der auf die Demoralisierung der städtischen Zivilbevölkerung zielte. Die 234 englischen Kampfflugzeuge bombardierten die Hansestadt in drei Wellen von 23.18 Uhr bis 2.58 Uhr. An den verheerenden Luftangriff vor 70 Jahren erinnert die Stadt Lübeck am kommenden Wochenende mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen.



Etwa 400 Tonnen Bomben, darunter 25.000 Brandbomben, hinterließen eine 300 Meter breite Schneise der Zerstörung zwischen dem Lübecker Dom und der Marienkirche. Die Dachstühle der Häuser und die Kirchen St. Marien, St. Petri sowie der Dom standen in Flammen. Mehr als 320 Menschen kamen ums Leben, fast 800 wurden verletzt.



Die Brände dauerten mehrere Tage

Die Sprengbomben öffneten in der ersten Angriffswelle die Ziegeldächer der backsteingotischen Häuser. Anschließend wurden die dabei freigelegten hölzernen Dachböden von Brandbomben entzündet. Die Brände dauerten mehrere Tage. Die Marienkirche und der Dom erlitten schwere Feuerschäden. Anwohner sahen mit an, wie die Türme von St. Marien sich unter den Flammenzungen zur Seite neigten und die Glocken von selbst läuteten, ehe sie glutrot zu Boden stürzten.



Die Löscharbeiten wurden durch kaputte Wasserleitungen und zugefrorenes Löschwasser erschwert. Neben der Altstadt waren auch Teile der Lübecker Vorstadt St. Lorenz von den schweren Verwüstungen betroffen. Mehr als 15.000 Lübecker verloren ihre Wohnungen. 1.468 Gebäude wurden vollständig zerstört, 2.180 stark beschädigt.



Reaktion auf verheerenden deutschen Angriff auf Coventry

Auch die Briten hatten bei dem Angriff Opfer zu beklagen: 12 Maschinen kehrten nicht zurück. Die Bombardierung war die britische Reaktion auf den verheerenden deutschen Luftangriff auf die nordenglische Stadt Coventry 16 Monate zuvor, im November 1940. Dabei hatten die Engländer erstmals die moralische Wirkung eines großflächigen Angriffs auf eine Stadt erlebt.



Die Luftoffensive gegen Lübeck markierte den Beginn der am 14. Februar beschlossenen "Moral Bombing Strategie", die auch weitere dicht besiedelte Städte treffen sollte, darunter Berlin, Hamburg und Dresden.



"Lübecker Märtyrer" äußerten sich nach der Bombennacht

Der Luftangriff auf Lübeck hatte auch Folgen für drei katholische und einen evangelischen Geistlichen, die heute als "Lübecker Märtyrer" bekannt sind. Unmittelbar nach der Bombennacht predigte der lutherische Pastor Karl Friedrich Stellbrink über Gottes mächtige Stimme. Die Gestapo beschuldigte ihn fälschlich, von einem "Gottesgericht" geredet zu haben. Stellbrink wurde am 7. April verhaftet, danach auch die katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange, mit denen er eng befreundet war.



Nach ihrem Prozess im Juni 1943 wurden sie im November wegen Rundfunkverbrechen, Landesverrat und Wertezersetzung hingerichtet.

2011 sprach die Katholische Kirche die drei Priester selig, der evangelische Stellbrink wurde geehrt.



Der Wiederaufbau der zerstörten Stadtteile Lübecks gestaltete sich nach Kriegsende als schwierig. Von geschätzten 700.000 Quadratmetern Schutt mussten noch 1948 über 100.000 Quadratmeter geräumt werden.



Denkmal der heruntergefallenen Glocken

1947 begannen die Arbeiten an St. Marien und wurden erst 12 Jahre später größtenteils abgeschlossen. Der Dom wurde erst 1982 und St. Petri 1986 wiederhergestellt. Die verbliebenen und wiedererbauten Gebäude der Altstadtinsel gehören heute zum Welterbe der UNESCO. Wichtigstes Denkmal sind die heruntergefallenen Glocken der Marienkirche.



Der Katastrophe wird seither immer wieder gedacht. Seit dem 60. Jahrestag 2003 missbrauchen auch Rechtsextreme in Lübeck den Bombenangriff mit "Trauermärschen". Für die in diesem Jahr geplante rechtsradikale Demonstration konnte ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Gesellschaft ein Verbot erwirken. Die Lübecker Pröpstin Petra Kallies rief gemeinsam mit der Initiative "Lübeck ist weltoffen" einen Gedenk- und Aktionstag gegen rechts ins Leben, der nun erstmals am kommenden Samstag begangen wird. "Der Bombenangriff darf nicht isoliert betrachtet werden, wie es die Neonazis tun, sondern er hat einen historischen Kontext", sagte sie.