Kirche in NRW: Grundgesetzverstöße im Programm der Piratenpartei

Auf Kurs gegen bewährte Wirklichkeiten

Nach dem zweiten Landtagseinzug der Piraten wird auch der ins nordrhein-westfälische Parlament immer realistischer. Prälat Martin Hülskamp, Leiter des katholischen Büros in NRW, ruft die Partei im domradio.de-Interview auf, ihr kirchenkritisches Programm "noch mal genau anzuschauen". Zur Zukunftsvision der Piraten gehört, dass Religion künftig eine reine Privatsache werden soll. So soll die Kirchensteuer fallen und der Religionsunterricht abgeschafft werden.

 (DR)

domradio.de: Viele haben der Piratenpartei eine geringe Lebenserwartung gegeben. Der Einzug in zwei Landesparlamente zeigt das Gegenteil. Trotz dieser Kirchenpolitik. Gibt ihnen das zu denken, zumal die Wahl in NRW unmittelbar bevorsteht?  

Hülskamp: Das ist natürlich ein Phänomen, das unsere besondere Aufmerksamkeit erfordert. Es überrascht schon, dass die Piraten mit über sieben Prozent in den Landtag gekommen sind. Dadurch wird die Perspektive für eine Präsenz der Partei im Landtag Nordrhein-Westfalen sehr realistisch. Was die Programmatik betrifft, bin ich etwas verhalten. Die Piraten sind bekanntlich eine Partei, die primär und zunächst auf einer Kommunikationsstruktur groß geworden sind, nämlich dem Internet. Und die Programmatik ist ein Aspekt, der gewissermaßen Stück für Stück hinterher kommt. Es ist richtig, dass in dem Bundesprogramm sehr kirchenkritische Elemente enthalten sind, die zum Teil auch nicht dem Grundgesetz entsprechen. Wir werden uns damit ganz offensiv auseinandersetzen, ohne Angst zu haben.



domradio.de: Wo treffen die Piraten auf Bedürfnisse der Menschen, wo gerade die Kirchen reagieren müssen? Vielleicht auch und gerade in NRW?

Hülskamp: Das Ganze ist ja ein recht sprunghaftes Phänomen. Dahinter steckt schlicht und einfach die Tatsache, dass die traditionellen Parteien und die Kirche den Kommunikationsweg des Internets zu wenig ernst genommen und zu wenig in die politische Kultur sowie die politische Verbreitung der eigenen Inhalte einbezogen haben. Insofern haben die Piraten da einen Nerv getroffen. Und auch eine gewisse Verhaltenheit sowohl der Kirchen als auch der traditionellen Parteien. Und da müssen wir auf jeden Fall nachbessern!



domradio.de: Die Kirchensteuer, die sogenannten Staatsleistungen der Bundesländer an die Kirchen, steht immer wieder in der Kritik. Z.B. auch bei der FDP. Im Wahlprogramm fordern die Piraten auch den Einzug von Kirchensteuern vom Staat abzuschaffen. Wie rechtfertigen Kirche und Staat diesen Vertrag heute noch, den viele für veraltet halten?

Hülskamp: Es gibt in der Bundesrepublik - und auch in NRW - eine völlig harmonische Zusammenarbeit in wichtigen Fragen, insbesondere auch in der Sozialpolitik, zwischen Kirche und Staat. Und die Piraten werden sich noch mal genau überlegen müssen, ob sie da wirklich an den Grund dieser Zusammenarbeit herangehen können und dürfen. Die Zusammenarbeit von Kirche und Staat hat sich bewährt, sie ist Teil unserer Verfassungsordnung. Ich sehe nicht die Mehrheit dafür im Parlament, daran grundsätzlich etwas zu ändern.



domradio.de: Im Verhältnis von Kirche und Staat geht es ja auch um die Leistungen der kirchlichen Träger, etwa im Sozialbereich. Also da, wo die Kirche auch Aufgaben der Vorsorge für den Staat übernimmt, beispielsweise in Krankenhäusern, Kindergärten oder Seniorenheimen. Übersehen die Piraten das?

Hülskamp: Ich glaube schon, dass sie da nicht auf dem Stand der Dinge und nicht in der Realität angekommen sind. Da muss man das Ganze vom Kopf auf die Füße stellen. Man kann da nicht, wie es im Programm der Piraten steht, von Alimentierung von kirchlichen Institutionen im Sozialbereich sprechen, sondern es ist ganz umgekehrt: Die Kirche geht auf weite Strecken deutliche mit eigenen Mitteln in Vorleistung. Es handelt sich hier um eine partnerschaftliche Verbundenheit von Kirche und Staat auf dem Subsidiaritätsprinzip, das zu unseren Verfassungsprinzipien gehört. Insofern müssen sich die Piraten die Realität gerade in diesem weiten Bereich des Sozialwesens noch mal sehr genau und realitätsnah anschauen.



Das Gespräch führte Monika Weiß.