amnesty legt Todesstrafen-Bericht vor

Willkür und Geheimhaltung

Weltweit sinkt die Zahl der Staaten, die die Todesstrafe vollstrecken. Zugleich nahm 2011 die Zahl der Hinrichtungen zu. Das geht aus einer am Dienstag in Berlin und London veröffentlichten Statistik von amnesty international hervor. Die meisten Hinrichtungen fanden demnach in China statt.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)

China richtet seit Jahren mehr Menschen hin als der Rest der Welt. Entsprechende Zahlen sind im bevölkerungsreichsten Staat der Erde allerdings ein Staatsgeheimnis.  amnesty international geht aber in der am Dienstag veröffentlichten Jahresstatistik zur Todesstrafe davon aus, dass die Volksrepublik jedes Jahr weiterhin tausende Menschen jährlich exekutiert. Zum Vergleich: Die anderen 19 Staaten, in denen die Strafe vollstreckt wurde, kommen zusammen auf 676 Fälle.



Die chinesische Justiz setzt weiterhin auf Abschreckung. Anfang März berichteten westliche Medien über eine Fernseh-Show, in der zum Tode Verurteilte Interviews geben mussten. Die Einschaltquoten waren bestens: Millionen Zuschauer wollten wissen, was die ausgewählten Verbrecher zu sagen hatten und wie sie gedemütigt wurden. Ob die Gerichtsverfahren für die Betroffenen fair verliefen, darüber erfuhren die Zuschauer nichts.



Hohe Zustimmung in der Bevölkerung

"Das zeigt die paradoxe Situation in China", erklärt der Menschenrechtler Oliver Hendrich. Er ist bei Amnesty Experte für das Thema Todesstrafe. So solle die drastische Strafe abschreckend wirken, gleichzeitig setze die Justiz aber auf strengste Geheimhaltung. Gleiches gilt nach Darstellung Hendrichs für die Straftaten, die mit der Todesstrafe geahndet werden. "Schwere Gewaltverbrechen, Drogendelikte, aber auch Wirtschaftskriminalität sind Gründe für ein Todesurteil", sagt Hendrich. "Bei gleicher Straftat gibt es aber vollkommen unterschiedliche Urteile."



Kulturelle Unterschiede bei der Interpretation der Menschenrechte lässt Hendrich nicht gelten. "Die Todesstrafe widerspricht den Menschenrechtsgrundsätzen der Vereinten Nationen, dazu haben sich auch Länder wie China und Iran verpflichtet", betont er. Die Mongolei, ein Nachbar der Volksrepublik, hat im vergangenen Jahr die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um die Todesstrafe abzuschaffen. "Das Argument, dass die Menschenrechte unterschiedlich interpretierbar sind, soll einfach nur ablenken", urteilt er.



Die Zustimmung zur Todesstrafe in der chinesischen Bevölkerung schätzt Hendrich allerdings als sehr hoch ein. Das liegt seiner Ansicht nach an mangelnden Informationen. So zeigten Studien auf der ganzen Welt, dass die Todesstrafe keine abschreckende Wirkung habe. Insgesamt zeigt die Statistik von Amnesty jedoch, dass die Todesstrafe weltweit auf dem Rückzug ist: Hinrichtungsmethoden wie Giftspritze, Erschießen oder, wie in Saudi-Arabien üblich, Enthauptung gehörten nicht mehr zur Tagesordnung. Mehr als zwei Drittel aller Länder haben die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft.



Bedenkliche Signale vom "Arabischen Frühling"

Dennoch bleiben neben China dunkle Flecken auf der Karte: Auf dem amerikanischen Kontinent richteten im vergangenen Jahr nur die USA Straftäter hin: 43 Exekutionen; 78 neue Verurteilungen. Im Vergleich zu den neunziger Jahren ein deutlicher Rückgang. Dennoch gebe es große Unterschiede innerhalb des Landes. "In Bundesstaaten wie Texas findet keine Diskussion statt", erklärt Hendrich. Illinois hingegen schaffte als 16. US-Bundesstaat die Todesstrafe ab und Oregon verkündete einen Hinrichtungsstopp.



Für die Exekutionen im Nahen Osten und Nordafrika waren fast ausschließlich vier Staaten verantwortlich: Irak, Iran, der Jemen und Saudi-Arabien. Harte Strafen sind, genauso wie im asiatischen Raum, besonders wegen Drogenverstößen üblich. Eine Strategie, die für Hendrich die Hilfslosigkeit der Regierungen widerspiegelt. Gleichzeitig sei aber auch klar: Prävention und eine entsprechende Sozialpolitik scheinen teurer zu sein als drakonische Strafen.



Für eine Auswertung des "Arabischen Frühlings" sei es noch zu früh, erklärt der Menschenrechtsexperte. Doch es gibt durchaus bedenkliche Signale. So stehe für den gestürzten ägyptischen Regierungschef Husni Mubarak die Todesstrafe im Raum. Hendrich drängt deshalb auf ein Signal für die Menschenrechte: "Ein rechtsstaatlicher Umbruch darf nicht mit einem Todesurteil beginnen."