Ethikratmitglied Bischof Losinger zur Organspendedebatte

Jeder ist gefragt

In der Debatte um die Organspende appelliert der Augsburger Weihbischof Anton Losinger an die Bundesbürger, die Entscheidung nicht auf die Angehörigen "abzuwälzen". Es wäre nicht nur "fair und vernünftig", sondern auch ein "Akt der Liebe", wenn sich jeder auf ein Ja oder Nein festlegen würde"

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger (KNA)
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger / ( KNA )

Losinger bedauerte am Samstag zugleich, dass im neuen Gesetzentwurf die Rolle der Angehörigen "nicht präzise genug" definiert sei. Allerdings werde unabhängig von der jeweiligen Rechtslage in keinem Land der Welt eine Explantation gegen den erklärten Willen der Angehörigen vorgenommen. Dies gelte auch für Staaten mit einer Widerspruchslösung und für Fälle, in denen ein Organspenderausweis vorliege. Eine andere Praxis würde den sozialen Frieden gefährden.



Der Weihbischof ist Mitglied des Deutschen Ethikrats und äußerte sich am Rande der Frühjahrsvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern. Bei der sogenannten Entscheidungslösung, die derzeit im Bundestag beraten wird, haben die Deutschen künftig auch die Möglichkeit, sich nicht zu entscheiden oder eindeutig zu äußern. Damit soll die absolute Freiwilligkeit der Organspende geschützt werden.



Zweifel am Hirntodkriterium

In der aktuellen Debatte über die Organentnahme seien neue Zweifel am Hirntodkriterium ein "Angstgenerator erster Klasse", sagte Losinger in einem Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). Der Hirntod sei sowohl bei Naturwissenschaftlern wie bei Theologen "umstrittener als noch vor einigen Jahren". Das Problem sei allerdings, dass es keine "auch nur annähernd zuverlässige Alternative gibt", um den Todeszeitpunkt zu bestimmen.



Der Weihbischof betonte in diesem Zusammenhang eine nachgeordnete Rolle der Theologie. Theologische Beurteilungen solcher existenzieller Fragen müssten "auf dem Boden gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse stattfinden". Wo die Hinweise aus den Naturwissenschaften "uneindeutig" seien, müsse dies aber auch ausgesprochen werden. Letztlich könne die Theologie nicht mehr sagen, als dass der Tod des Menschen an dem Punkt eintrete, "wo sich die Einheit von Leib und Seele auflöst".