Noch 100 Tage bis zur UN-Entwicklungs-Konferenz

Gipfel der "Grünen Ökonomie"

Ob die riesige UN-Konferenz im Juni in Rio de Janeiro ein Erfolg wird, ist ungewiss. Sie soll im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Umwelt und Gerechtigkeit neue Wege in die Zukunft aufzeigen: Nachhaltigkeit heißt das Zauberwort.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Es wird voraussichtlich die bisher größte Konferenz aller Zeiten: Bis zu 60.000 Menschen wollen zu dem UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung im Juni nach Brasilien kommen. "Das hat selbst uns überrascht", sagt Arne Molfenter vom Bonner UN-Informationszentrum, der gigantische Weltgipfel kennt. Nicht nur Aktivisten, Minister und Journalisten werden in Rio de Janeiro erwartet, sondern auch rund 100 Staats- und Regierungschefs. Immerhin soll die Weltkonferenz neue Wege aufzeigen - zu mehr Wohlstand, Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit.



Gut hundert Tage sind es noch. US-Präsident Barack Obama und Angela Merkel (CDU) haben sich noch nicht festgelegt, ob sie vom 20. bis 22. Juni nach Brasilien reisen werden. "Rio+20" wird die Konferenz auch genannt, weil sie 20 Jahre nach dem dortigen historischen "Erdgipfel" tagt, der nicht nur wichtige Klima- und Artenschutzabkommen auf den Weg brachte, sondern auch eine elementare Botschaft verbreitete: Umweltschutz ist kein Luxus der Reichen, sondern überlebenswichtig für die Armen. Das Aktionsprogramm "Agenda 21" regte rund um den Erdball Initiativen an - nach der Devise: Global denken, lokal handeln.



"Das war 1992 der Fortschritt, dass Umwelt und Entwicklung zusammengebracht und nicht mehr als Gegensätze gesehen wurden", sagt Daniel Mittler, Politischer Direktor bei Greenpeace International. Aber es sei viel zu wenig geschehen: "Die Regierungen haben versagt." Jetzt ist für ihn ein Umsteuern angesichts von Hunger, anhaltender Armut und drohendem Klima-Kollaps dringender denn je.



"Wir brauchen globale Regeln für global agierende Unternehmen", sagt Mittler. Zudem müssten Subventionen für zerstörerische Fischerei und fossile Energien wie Öl, Gas und Kohle gestrichen werden. Greenpeace setzt sich auch für einen stärkeren Schutz der Meere ein. Insgesamt sieht Mittler die Regierungen heute vor dem Dilemma, schnell handeln und langfristige Ziele setzen zu müssen.



Stärkung globaler Institutionen

Nachhaltigkeit steht für zukunftsfähige Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, die wirtschaftlich, sozial gerecht und umweltschonend gleichzeitig sind. Doch schon da beginnt der Streit: Der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung etwa propagiert, alle drei Aspekte gleichberechtigt zu werten. Die Aktivisten halten dagegen: "Ohne Umwelt ist alles nichts", sagt Mittler. Wirtschaftswachstum wird kritisch hinterfragt.



Die Wachstumsdebatte entspinnt sich an Green Economy, einem der zentralen Themen der Rio+20-Konferenz. Grüne Ökonomie steht für die Vision von Harmonie zwischen Umwelt und Wirtschaft, könnte aber auch zu einem bloßen "grünen Anstrich" des Business verkommen. Danuta Sacher, Vorstandsvorsitzende des Kinderhilfswerks Terre des Hommes, will daher auch über verschwenderischen Konsum und eine Begrenzung des Überflusses streiten: "Damit die Entwicklungsländer wachsen können, werden wir nicht weiter wachsen dürfen."



Das zweite große Thema der Konferenz ist die von der EU seit langem geforderte Stärkung globaler Institutionen: Es geht um die Schaffung eines hochrangigen Nachhaltigkeitsrats. "Das ist noch nicht durch, das wird heiß diskutiert", sagt Heiko Warnken, Leiter des Referats Umweltpolitik im Bundesentwicklungsministerium.



Aber immerhin befürworten nach seinen Worten inzwischen 120 Staaten, das UN-Umweltprogramm zu einer schlagkräftigeren UN-Sonderorganisation mit festen Mitgliedschaften und -beiträgen auszubauen. Widerstand gegen diese Pläne komme aber vor allem von Washington. "Es ist ein Wahljahr in den USA", sagt auch Frank Schröder, Mitarbeiter im Büro von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Daher sei es in den USA noch unpopulärer als sonst, internationale Verpflichtungen einzugehen.



Dass sich rund 190 Teilnehmerstaaten im Schlussdokument der Rio-Konferenz auf eine Blaupause für eine bessere Zukunft einigen werden, gilt als fraglich. "Die Finanzkrise hat die Umweltproblematik wieder von der Top-Agenda verdrängt", klagt Sacher. Aber die Hoffnung bleibt, dass der Gipfel der Öko-Bewegung dennoch neuen Schwung verleihen wird.