domradio.de-Chefredakteur zum Umgang mit persönlichen Katastrophen

"Mitten wir im Leben sind mit Tod umfangen!"

"Mitten wir im Leben sind mit Tod umfangen!" Dieses Kirchenlied aus dem 15. Jahrhundert schildert in sehr poetischer Form eine von uns oft verdrängte Wahrheit. Gerade noch haben sich die Kinder im Schnee ausgetobt und ihre Winterfreuden genossen. Die letzten Erinnerungsfotos einer traumhaft verschneiten Bergwelt sind geknipst. Nur wenige Stunden später drängen sich andere Bilder in den Vordergrund.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

Im Betontunnel klebt ein Reisebus an der Wand, der nur noch im hinteren Teil als solcher zu erkennen ist. Die ersten Retter, die vor Ort waren, um Kinder und Betreuer aus dem Unfallbus zu befreien, erwarteten noch schrecklichere Bilder, die sie vermutlich ihr ganzes Leben begleiten werden. 22 Kinder aus Flandern und fünf Erwachsene können nur noch tot geborgen werden. Verletzte und Schwerverletzte werden mit Rettungshelikoptern in die nächsten Klinken transportiert. Im Sekundentakt verbreitet sich die Nachricht vom Tunnelunglück.

Warum? Warum die Kinder? Warum gerade hier - und warum gerade dieser Bus? Zwei weitere Reisebusse des Konvois bemerkten das Unglück gar nicht und erreichten wohlbehalten ihr Ziel. Eltern, die noch glücklicher ihre Kinder in die Arme schließen auf der einen Seite - untröstliche Mütter und Väter auf der anderen Seite, weil sie nie wieder in die strahlenden Augen ihrer Kinder schauen werden.

Nie wieder? Christen haben die begründete Hoffnung, dass es am Ende der Tage ein Wiedersehen gibt. Dass das letzte Wort nicht der Tod, sondern das Leben hat. Eltern, die ihre Kinder verloren haben, wissen trotz aller Trauer, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Auch wir Christen haben keine Erklärung, durch die das Leid aufhört, Leid zu sein. Aber wir können einander trösten. Wir können uns einander die Hoffnung auf Auferstehung am Ende aller Zeiten zusprechen. Denn es gilt nicht nur,! dass wir mitten im Leben vom Tod umfangen sind, sondern auch, dass mitten im Tod das Leben blüht.