Proteste gegen Steiger-Award an Erdogan weiten sich aus

Assyrer, Aleviten und Armenier erbost

Die Kritik an der für Samstag geplanten Preisverleihung des "Steiger Award" am den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan weitet sich aus. Nach dem Protest der Armenier in Deutschland wenden sich nun auch der Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen sowie die Alevitische Gemeinde gegen die Ehrung Erdogans. Sie riefen für Samstag zu einer Demonstration in Bochum auf.

 (DR)

In einem am Mittwoch in Augsburg veröffentlichten Offenen Brief spricht der assyrische Verband unter anderem von der schlechten Situation der Pressefreiheit in der Türkei, Misshandlung und Folter türkischer Gefangener, fehlenden Minderheitenrechte für Assyrer und der Verweigerung elementarer Existenzrechte für Christen.



Es sei nicht nachvollziehbar, warum Erdogan den Preis, der für Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz stehe, erhalten soll, erklärte der Zentralverband der Assyrer. Bis heute weigere sich die Türkei, Zypern als EU-Mitgliedsstaat anzuerkennen. Alleine im Jahr 2011 seien 4.000 Menschen, darunter Bürgermeister, kommunale Abgeordnete, Anwälte, Bürgerrechtler und türkische Intellektuelle, verhaftet worden.



Premierminister Erdogan leugne den Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern und 500.000 Assyrern, erklärte der Verband weiter und warf der Türkei eine "Assimilationspolitik gegenüber dem kurdischen Volk" und Leugnung kultureller und ethnischer Unterschiede vor. Die Verleihung des Steiger Awards an den türkischen Premierminister würde zum erheblichen Nachteil der unterdrückten Menschen unter der türkischen Regierung politisiert werden.



Der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, Ali Dogan, nannte die Preisverleihung an Erdogan "einen Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der Türkei, die staatlich organisierter Intoleranz und Unmenschlichkeit ausgesetzt sind".



Scharfe Kritik der Grünen

Auch der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, hat scharf gegen die Verleihung protestiert. "Ich bin fassungslos, mit welcher falschen Sensibilität die Veranstalter Erdogan loben. Das ist vollkommen fehl am Platz", sagte Kilic der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Berlin. Weder fördere der Premier Toleranz und Religionsfreiheit, noch setze er sich für eine Annäherung an Europa und seine Werte ein.



Nach Einschätzung von Kilic entfernt sich unter Erdogan die Türkei von der EU, anstatt sich ihr anzunähern. Weder gebe es eine faktische Gleichberechtigung der Religionen und Minderheiten im Land, noch trete Erdogan für die Pressefreiheit ein. Kilic zufolge wäre der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk ein würdigerer Repräsentant für die deutsch-türkische Freundschaft. Er trete mit seinem Werk und politischem Engagement für Minderheiten ein und werbe für eine Annäherung. Die weiteren diesjährigen Preisträger rief Kilic auf, die Auszeichnung abzulehnen.



Weder Toleranz noch Menschlichkeit

Auch der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) hatte zuvor die Ehrung kritisiert. Erdogan stehe weder für Toleranz und Menschlichkeit noch für das Zusammenwachsen Europas, erklärte der ZAD in Frankfurt/Main und kündigte für den Tag der Preisverleihung "massive Proteste" gegen die Vergabepolitik der Hellen Medien Projekte GmbH an.



Die Initiatoren des Preises verweisen in ihrer Begründung für die Auswahl des Preisträgers, dass die Türkei eine Schlüsselrolle im Nahen Osten spiele. Längst sei die Türkei ein wichtiger Partner Deutschlands und Europas. Für diese Bemühungen, "aber auch als deutliches Zeichen für gelebte deutsch-türkische Freundschaft", erhalte der türkische Premier die Auszeichnung, erklärten die Veranstalter. Mit der Preisvergabe sei ausdrücklich keine Bewertung der innen- und außenpolitischen Aktivitäten des türkischen Ministerpräsidenten verbunden.



Der Steiger-Award, benannt nach dem leitenden Betriebsbeamten im Bergbau, wird in diesem Jahr zum achten Mal von dem Bochumer Medienveranstalter Sascha Hellen verliehen. Unter den Preisträgern in elf Kategorien befinden sich unter anderem die schwedische Königin Silvia (Charity), Wolfgang Joop (Kunst) und der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler (Toleranz). Die Laudatio auf Erdogan hält der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Nach einem Bericht der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe) sagten NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Justizminister Thomas Kutschaty (beide SPD) und der Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) ihre Teilnahme ab.