Neue Debatte um ein Verbot der Beihilfe zum Suizid

Keine Geschäfte mit dem Tod

Robert Enke, Gunter Sachs und nun Friedhelm "Timo" Konietzka. Prominente, die den Freitod suchten. Konietzka nahm sich unterstützt von der Organisation Exit in seiner Schweizer Wahlheimat das Leben. Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisiert die Arbeit von Exit, gerade im Zusammenhang mit der Suizidbegleitung prominenter "Kunden".

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Eugen Brysch spricht von einem "entsetzlichen Geschäftsmodell". Immer wieder versuchten die Schweizer Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas, durch die Suizidbegleitung von Prominenten für sich zu werben, schimpfte der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung am Dienstag in Dortmund.



Der neueste Fall: Ex-Fußball-Bundesligastar Timo Konietzka (73), der 1963 für Borussia Dortmund das erste Tor der Bundesligageschichte erzielte, war am Montag im Schweizerischen Brunnen durch einen tödlichen Gift-Cocktail der Organisation Exit aus dem Leben geschieden. Er hatte sich nach der Diagnose von unheilbarem Gallen-Krebs dazu entschieden. In einem Abschiedsbrief, aus dem die "Bild"-Zeitung (Dienstag) zitiert, bedankte sich Konietzka bei Exit, die ihn von seinen Qualen erlöst und auf dem schweren Weg begleitet habe. Der frühere Profi-Sportler, seit 1988 Schweizer, unterstützte Exit als Botschafter.



Seit Jahren verzeichnen Dignitas und Exit wachsenden Zulauf, auch aus Deutschland. Im Nachbarland ist Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt, sofern die Helfer keine eigennützigen Motive verfolgen. Nach Medienberichten begleitete Dignitas 2011 rund 35 Prozent mehr Menschen in den Freitod als 2010, nämlich 144. Nur fünf davon seien Schweizer gewesen. Auch bei "Exit" nahmen die Zahlen zu. 2011 seien es mehr als 300 gewesen, gegenüber 257 im Jahr 2010.



Thema immer wieder auf der Tagesordnung

Auch in Deutschland steht das Thema immer wieder auf der Tagesordnung: Erst vor einer Woche haben die Koalitionsspitzen aus CDU/CSU und FDP beschlossen, dass Geschäfte mit der Sterbehilfe verboten werden sollen. Dazu soll ein neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch geschaffen werden, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt.



Genau so hat es die gerade gewählte schwarz-gelbe Bundesregierung bereits 2009 im Koalitionsvertrag vereinbart. Und schon seit Sommer 2008, als der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch durch mehrere Fälle von Beihilfe zum Suizid - gegen Zahlung von 8.000 Euro - bundesweit für Aufsehen sorgte, ringen auch die Bundesländer um ein Verbot gewerblicher Sterbehilfe. Bislang erfolglos. Die Deutsche Hospiz Stiftung spricht deshalb von einer "Inflation an gescheiterten Gesetzesentwürfen".



Warum das so ist, zeigt die Debatte der vergangenen Tage. Denn für die Bundesärztekammer (BÄK) und die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) geht die Forderung nach einem Verbot der gewerblichen Beihilfe nicht weit genug. Jede Form organisierter Sterbehilfe müsse verboten werden, fordern BÄK-Chef Frank-Ulrich Montgomery und Merk. Und können dabei auf den von Kusch gegründeten Verein "SterbeHilfeDeutschland e.V." verweisen. Ihn hatte der frühere Justizsenator 2010 ins Leben gerufen, nachdem ihm ein Gericht die gewerbliche Sterbehilfe untersagt hatte. Mit seinem Verein nimmt Kusch zwar keine Honorare mehr für die Beihilfe zum Suizid, verlangt dafür aber Mitgliedsbeiträge. Im vergangenen Jahr hat der Hamburger nach eigenen Angaben 27 Deutschen beim Suizid geholfen, 6 mehr als im Vorjahr.



Für Montgomery steht deshalb fest: "Wenn wir verhindern wollen, dass solche Organisationen unter anderem Rechtsstatus weiter ihren Geschäften nachgehen, muss jede Form der organisierten Sterbehilfe verboten werden." Die FDP sieht das anders. Der Experte der Bundestagsfraktion für Palliativmedizin, Michael Kauch, besteht darauf, ausschließlich gewerbsmäßige Sterbehilfeberatung zu verbieten. Das Abstellen auf das Merkmal "geschäftsmäßig" würde auch unentgeltliche, aber regelmäßig wiederholte Beratungen zu dem Thema unter Strafe stellen, argumentiert er. Nach Kauchs Ansicht wäre eine Strafandrohung gegen eine geschäftsmäßige Beihilfe "unverhältnismäßig, da die Selbsttötung straffrei ist". Die Beihilfe zu straffreien Handlungen unter Strafe zu stellen, bedürfe einer sehr guten Begründung. "Wir wollen das Geldverdienen mit dem Tod verhindern - nur das legitimiert die Gesetzesänderung".