Caritas International zieht Bilanz nach Tsunami-Katastrophe

Mit dem Schrecken weiterleben

Ein Jahr nach der Katastrophe in Fukushima konzentrieren sich zahlreiche deutsche Hilfsorganisationen auf die psychologische Betreuung der Opfer vor Ort. Die Wiederaufbaumaßnahmen kommen gut voran, berichtet Stefan Teplan von Caritas International im domradio.de-Interview. Die Hilfe werde noch über Jahre hinweg notwendig sein. "Das Land ist stark traumatisiert."

 (DR)

Nach dem Tsunami vom 11. März 2011 leben immer noch schätzungsweise 100.000 Menschen in Notunterkünften. Für einen Neuanfang müssen sie wohl in andere Landesteile umsiedeln. Hilfsorganisationen unterstützen den Neuaufbau, setzen aber vor allem auf seelische Hilfe.



"Von anderen Erdbeben wissen wir, dass die Selbstmordrate nach solchen Unglücken drastisch steigt, und um dies zu verhindern ist die psychologische Betreuung ganz wichtig", sagte Moritz Wohlrab von der "Aktion Deutschland Hilft".



Verarbeitung der schrecklichen Erlebnisse

Konkret gehe es darum, die japanischen Fachkräfte bei ihrer Arbeit mit den Menschen zu unterstützen und zu beraten. So gebe es regelmäßige Treffen der Bewohner in den übergangsweise errichteten Containerstädten. "Die Menschen treffen sich in Gemeinschaftsräumen in den Containerstädten, können sich austauschen und gemeinsam den Neubeginn ihres Lebens planen und die schrecklichen Erlebnisse verarbeiten", beschrieb Wohlrab die Arbeit vor Ort.



Das katholische Hilfswerk Caritas international engagiert sich vor allem in der Hilfe für Kinder. So wird außerhalb der Gefahrenzone in der Region Fukushima ein neuer Kindergarten gebaut. Außerdem finanziert Caritas international Ferienfreizeiten für Schulkinder aus Fukushima in anderen Teilen des Landes. "Für die Kinder ist es enorm wichtig, die nach wie vor stark zerstörte Region einmal verlassen zu können", sagt Reinhard Würkner, Japan-Experte des Hilfswerks der deutschen Caritas, "in den Ferien können sie eine Zeitlang Abstand zu den teils schrecklichen Erlebnissen der vergangenen Monate finden. Für ihre Gesundheit ist es außerdem wichtig, zumindest einige Wochen frei von Strahlenbelastung zu sein."



Insgesamt zieht Caritas International eine positive Zwischenbilanz der Hilfen. Während der ersten Phase der Nothilfe nach dem Erdbeben und dem Tsunami wurden Betroffene mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Kleidung, Decken und anderen Hilfsmitteln versorgt. Nun konzentriere sich das Hilfswerk der deutschen Caritas in enger Zusammenarbeit mit der Caritas Japan und weiteren Partnern auf die Hilfen zum Wiederaufbau.



Hohe Strahlenbelastung erschwert Hilfe nahe des Unglücksreaktors

Die Folgen der atomaren Katastrophe seien, so das Hilfswerk, nicht zuletzt "wegen der unzulänglichen Informationspolitik noch nicht abzuschätzen". Während die Wiederaufbaumaßnahmen in anderen betroffenen Regionen gut voranschreiten, erschwerten die nach wie vor hohe Strahlenbelastung in der Nähe des Unglücksreaktors von Fukushima die Hilfen. "Die Menschen dort ahnen, dass sie vielleicht nie wieder in ihr Zuhause zurückkehren können", so Würkner. "Gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort von der Japanischen Association for Aid and Relief - AAR - sowie der Caritas Japan arbeiten wir daran, dass sie in anderen Teilen des Landes einen Neuanfang starten können."



Auch Moritz Wohlrab von der "Aktion Deutschland Hilft", ein Zusammenschluss deutscher Hilfsorganisationen, die im Falle großer Katastrophen im Ausland gemeinsam Opfer unterstützen, bestätigt: "Die Aufräumarbeiten sind sehr weit". Wohlrab war zwei Mal in der Unglücksregion um Fukushima, zuletzt vor wenigen Wochen. Entlang der Küstenstraße seien überall riesige Schuttberge zu sehen. "Man stapft da wirklich nur noch über die Fundamente. Und soweit das Auge blickt ist da in vielen Gebieten nichts mehr zu sehen", beschrieb der Helfer die Situation vor Ort.



Viele spielen mit dem Gedanken wegzuziehen

Mit Blick auf die Atomkatastrophe sagte Wohlrab, eines der größten Probleme der Menschen sei die Angst vor der Strahlung. Die Betroffenen müssten mit einer latenten Gefahr leben. Viele spielten mit dem Gedanken wegzuziehen. "Gerade die Kinder haben noch Strahlenmessgeräte um den Hals baumeln um damit permanent Werte zu messen", berichtete Wohlrab.



Für "Aktion Deutschland Hilft" wurden bislang knapp zwölf Millionen Euro gespendet. Ein Großteil dieses Geldes wurde für die medizinische Nothilfe, Nahrungsmittel und Kleidung genutzt. Darüber hinaus bauten die Helfer mit dem Geld ein zerstörtes Kinderheim in der Erdbebenregion wieder auf. "Zudem hat eine Hilfsorganisation in einem zerstörten Dorf eine Ladenzeile mit zwölf Geschäften wieder errichtet", sagte Wohlrab. In einem anderen Fall seien Stromgeneratoren an Familien mit schwerstbehinderten Kindern verteilt worden. "Die Familien hatten nach dem Erdbeben keinen Strom mehr und konnten daher ihre Kinder nicht mehr beatmen", berichtete Wohlrab.