Der Konflikt mit dem Iran sorgt die Israelis - das Leben muss dennoch weitergehen

Trotzdem Alltag

Die Situation zwischen Israel und dem Iran spitzt weiter zu, ganz offen wird inzwischen über die Möglichkeit eines Militärschlags gesprochen. Über das alltägliche Leben in Sorge im domradio.de-Interview Ulrike Wohlrab, Pfarrerin der evangelischen Deutschen Gemeinde in Jerusalem.

 (DR)

domradio.de: Beim Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und Benjamin Netanjahu im Weißen Haus ging es diesmal um die Frage eines Militärschlags gegen den Iran. Wie wichtig war dieses Treffen für die Menschen in Israel?

Wohlrab: Es ist sehr wichtig, weil sich alle hier in der Region Sorgen machen, wie es weitergehen wird. Auf der einen Seite sind da die Unsicherheit und die Angst über die Frage, ob der Iran wirklich zu einem Angriff in der Lage ist - und ob man das vorher durch einen Militärschlag verhindern kann. Auf der anderen Seite leben die Menschen hier schon so lange mit unterschiedlichen Konflikten und alltäglichen Problemen, dass sie den Alltag natürlich weiterleben. Trotz der Bedrohung.



domradio.de: Kurz vor dem Treffen im Weißen Haus hat sich die Internationale Atomenergiebehörde tief besorgt geäußert über das iranische Nuklearprogramm. Der Iran habe seit Ende des vergangenen Jahres die Produktion von höher angereichertem Uran verdreifacht, so die Behörde. Was geht in den Menschen in Israel vor, seit dieser Nachricht?

Wohlrab: Es beschäftigt die Menschen, weil sie vor allen Dingen auf der israelischen Seite von einer ständigen Bedrohungssituation ausgehen. Sie haben den Eindruck, sie leben in einem Bereich umgeben von Menschen, die zwar nicht Feinde, aber auch nicht Freunde sind. Die Angst unter den israelischen Bewohnern ist ständig präsent, und sie wächst durch die nukleare Bedrohung enorm. Andererseits gibt es auf palästinensischer wie israelischer Seite genug Menschen, die für eine diplomatische und friedliche Lösung plädieren. Manchmal habe ich den Eindruck, es kommt auch darauf an, wie die Menschen selbst ausgerichtet sind: Wenn sie sich eher für den israelisch-palästinensischen Konflikt  einsetzen, sagen sie: Das ist viel Gerede und viel Wind um nichts. Und diejenigen, die auf Auseinandersetzung setzen, sagen: Israel muss zuerst zuschlagen.



domradio.de: Die Christen im Land machen sich natürlich ebenfalls Sorgen. Welche sind das?

Wohlrab: Die Christen haben keine spezifischen Sorgen in Bezug auf den Iran, sondern auf die Frage der alltäglichen Situation: Wie geht es weiter für die christlichen Palästinenser? Die Christen, die hier in der Region leben - wenn sie nicht Ausländer sind -, sind Palästinenser. Und für sie ist in erster Linie wichtig, wie sie ihren Kindern eine gute Ausbildung verschaffen können. Deshalb wandern so viele aus - was wiederum die wenigen, die bleiben, belastet. Das ist die alltägliche Sorge. In Bezug auf den Iran haben sie dieselben Befürchtungen wie alle anderen. Gerade sagte unser Hausmeister noch: Ein Krieg bringt nichts, es wird nur schlimmer.



domradio.de: Sie sind Pfarrerin der Deutschen Gemeinde in Jerusalem. Wie geht es ihnen selbst?

Wohlrab: Ich finde es relativ schwierig. Und manchmal ist die Bedrohung geradezu unwirklich, eben weil sie im Alltag keine Rolle spielt. Man muss weiterleben, das haben die Menschen hier schon lange gelernt, und das machen wir auch in den letzten Jahren. Man merkt, dass die Leute, die aus Deutschland zu Besuch kommen, oft mit sehr vielen Ängsten kommen, die für uns hier vor Ort doch nicht so real sind. Obwohl wir natürlich viel näher dran sind. Das ist eine ganz paradoxe Situation. Man verdrängt im Alltag einfach viel - vielleicht hat man deshalb manchmal die Gefahr zu wenig im Blick.



Das Gespräch führte Monika Weiß.