Präses Schneider sieht Herausforderung für Christen

Kirchen gegen Rechtsextremismus

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, sieht im Rechtsextremismus eine besondere Herausforderung für Christen. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehöre zur öffentlichen Verantwortung der Kirche, sagte er am Samstag in Aachen. In Münster protestierten rund 4.000 Menschen gegen eine Neonazi-Demonstration.

 (DR)

Rechtsextremismus verleugne und verletzte wesentliche ethische Grundsätze des Christentums und widerspreche der Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes.



Schneider bekundete aber Skepsis gegenüber einem NPD-Verbot. Zwar sei diese Partei verfassungsfeindlich, extremistisch und "organisatorische Exponentin und Protagonistin des neuen Rechtsextremismus". Doch sei der Ausgang eines Verbotsverfahrens fraglich. Eine gescheiterte Klage könnte ungewollt als Legitimation der Gegenseite missbraucht werden, warnte der rheinische Präses.



Die Kirchen dürfen es nach den Worten Schneiders nicht dulden, wenn eigene haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in einer rechtsextremen Partei mitarbeiten. Dies beeinträchtige die Glaubwürdigkeit der Kirche. Bei einfachen Gemeindemitgliedern in rechtsextremen Gruppierungen kämen "Zuchtmittel" wie der Entzug des passiven oder des aktiven Wahlrechts in Frage. Doch sei angesichts einer möglichen kompletten Abwendung von der Kirche ein Seelsorgegespräch über das missbilligte Verhalten zu bevorzugen.



Schneider bezeichnete die Morde der rechtsextremen Terrorgruppe "Zwickauer Zelle" nur als "Spitze des Eisbergs". Das Phänomen des Rechtsextremismus "geht weiter und reicht tiefer und ist deshalb sehr viel bedrohlicher für unser Land und für unsere Gesellschaft, als wir uns dies bis vor kurzem noch vorstellen konnten". Vor dem Hintergrund der NS-Verbrechen und der Gaskammern sei das NPD-Motto bei der Berlin-Wahl "Gas geben" skandalös.



Schneider sprach bei einer Tagung der Katholischen Akademie Aachen zur christlich-jüdischen "Woche der Brüderlichkeit", die am 11. März in Leipzig bundesweit eröffnet wird. Dabei soll der Ratsvorsitzende mit der "Buber-Rosenzweig-Medaille" ausgezeichnet werden. Der Deutsche Koordinierungsrat der rund 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit würdigt damit das "nachhaltige Wirken Schneiders für eine Umkehr und Neugestaltung in den christlich-jüdischen Beziehungen".



Rund 4.000 demonstrieren gegen Rechtsextreme in Münster

Rund 4.000 Menschen haben am Samstag in Münster gegen eine Neonazi-Demonstration protestiert. Nach Polizeiangaben beteiligten sich mit etwa 3.500 die meisten von ihnen an einer Grußkundgebung, zu der der DGB aufgerufen hatte. Insgesamt fanden acht Kundgebungen von Parteien, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen gegen den Zug von schätzungsweise 300 Rechtsextremen durch das Rumpholzviertel statt.



Auf der Hauptkundgebung bezeichnete Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) Münster als "offene, tolerante und friedvolle Stadt". "Wir verachten diese Gesinnung und betrachten diesen Aufmarsch als Versuch, unsere Stadt und ihre Bürger zu beleidigen", sagte Lewe über die Demonstration der Neonazis. Umso wichtiger sei es, ein gemeinsames kraftvolles und selbstbewusstes Zeichen dagegen zu setzen. "Damit sagen wir zugleich: Nie wieder! Wir brauchen das nicht!"



Als Vertreter des evangelischen Kirchenkreises Münster hob Pfarrer Jens Dechow hervor, dass Christen aus innerer Überzeugung an der Großdemo teilnähmen. "Das Gegenteil von Rechtsaußen sind wir", rief Dechow den Neonazis entgegen. Dechow rief zu Gewaltfreiheit auf. "Jeder Stein, der fliegt, setzt die Rechten ins Recht", mahnte der Pfarrer.



"Wir sehen heute, dass die Demokratie funktioniert", sagte Dechow und sprach von einem "großen Schatz, den wir mit Freude hochhalten". Allerdings beginne die eigentliche Demonstration für Demokratie morgen im Alltag, mahnte Dechow. "Dann müssen wir sie leben, jeder an seinem Ort."



Der katholische Stadtdechant Ferdinand Schumacher verurteilte die "völkische und rassische Überlegenheits-Ideologie" der Neonazis, die zur Billigung von Gewalt sowie zu Angst und Einschüchterung führe. "Wer so denkt, versündigt sich an Gott und den Menschen", sagte der Domkapitular. "Er handelt gegen den Willen Gottes."



Der Vorsitzende des Integrationsrates, Spyros Marinos, betonte, es sei die Pflicht jedes Bürgers, gegen die Nazis aufzutreten. "Wir dürfen sie nicht verharmlosen, aber angesichts der Entwicklung der Zivilgesellschaft ist ihre Ideologie lächerlich", sagte der Vorsitzende des Integrationsrates. Marinos erinnerte an die Morde von Hoyerswerda und Solingen in den 90er Jahren und warnte: "Wir befinden uns mittendrin in einer gefährlichen Entwicklung in unserer Gesellschaft." Fremdenhass sei nicht allein mit Polizei und Justiz zu bekämpfen.



Nachbarschaftsfeste und Solidaritätskundgebungen fanden statt, etwa von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Münster, dem Evangelischen Forum und anderen christlichen Gruppen gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde. Evangelische und katholische Kirchen hatten ihre Pforten für Gegendemonstranten geöffnet.