Kirchenvertreter fordern neue Kultur der Nachhaltigkeit

Nicht weiter wie bisher

Führende Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche haben sich für eine neue Kultur der Nachhaltigkeit ausgesprochen. Auf einer Bonner Tagung mit dem Titel "Kirche auf dem Weg der Nachhaltigkeit" forderte der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, einen grundlegenden Bewusstseinswandel im Sinne einer "mentalen Revolution".

 (DR)

"Wir müssen dem Fortschritt eine neue Richtung, eine neue Qualität geben", sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück. Der CSU-Politiker rief dazu auf, "die Sackgasse bisheriger Formen des Wirtschaftens zu verlassen". Trotz der Mehrung des materiellen Wohlstands habe sie ökologische, soziale und politische Krisen hervorgebracht. Das Versprechen auf Verteilungsgerechtigkeit habe sie nie eingelöst, sagte Glück, der auch dem Nachhaltigkeitsrat angehört.  "Unsere heutige Art und Weise zu leben ist nicht zukunftsfähig", fügte er hinzu. Das 15-köpfige Gremium berät die Bundesregierung.



Die neue Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrats, Marlehn Thieme, will dem Kabinett Lob und Kritik zurückspiegeln. "Für mich ist Nachhaltigkeit nicht das, was wir Christen Paradies nennen", sagte die 54-jährige Direktorin der Deutschen Bank dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele gleichermaßen zu verfolgen, sei ein Prozess, bei dem Konflikte auftreten könnten. Thieme gehört auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland an (EKD).



"Wir müssen an den Problemen von heute ansetzen, die sich an Klima, Energie, Ressourcenerschöpfung und sozialer Ungerechtigkeit manifestieren", betonte Thieme. Ethik sollte nicht nur unternehmerisches Handeln, sondern auch den praktischen Alltag bestimmen: "Was können wir als Christen als Gesinnung in die Gesellschaft tragen, die auf Konsum und Grenzenlosigkeit angelegt ist?"



Kirche als Vorbild

Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Katholiken forderte, auch die Kirche müsse durch eigenes Handeln glaubwürdig Beispiel geben. Glück verwies auf die UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung im Juni in Rio de Janeiro. Der sogenannte Rio+20-Gipfel sei herausgefordert, das Fundament für eine neue Kultur des Wirtschaftens, der gemeinsamen Verantwortung und der gegenseitigen Solidarität zu legen.



Die Juristin Thieme sieht auch den Staat gefordert: "Ich glaube, dass ein Markt nur dann nachhaltig sein kann, wenn er einen Ordnungsrahmen hat, der alle Akteure zu einem Verhalten zwingt, das nicht die Lebensgrundlagen zerstört, die die folgenden Generationen benötigen." Sie zeigte Verständnis dafür, wenn sich die Staaten in der globalisierten Welt auf stärkere Regulierung einigen.



Thieme appellierte an die Unternehmen, sich am deutschen Nachhaltigkeitskodex und ähnlichen freiwilligen Initiativen auf globaler Ebene zu beteiligen. Das sei eine wichtige Ergänzung zu nationalen Gesetzen. Der im Herbst beschlossene Kodex empfiehlt Firmen, Auskunft über ihre Ziele, Leitbilder und Handeln zu geben.



Mentale Revolution

Ein umweltschonender Lebensstil kann nach Ansicht des katholischen Bischofs von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, nicht durch Gesetze erzwungen werden. Notwendig sei vielmehr ein grundlegender Bewusstseinswandel im Sinne einer "mentalen Revolution", sagte Hanke auf der Tagung in Bonn. "Unser Problem ist die Grenzenlosigkeit", so Hanke. Ohne eine Abkehr vom Konsumdenken blieben auch die meisten Ziele im Umweltschutz unerreichbar.



Hanke, der vor seiner Bischofsweihe als Abt das bayerische Benediktinerkloster Plankstetten in einen ökologischen Musterbetrieb umgewandelt hatte, erläuterte, dass ihm dies nur gelungen sei, indem er sich mit seinen Mitbrüdern die spirituelle Dimension seines Handelns bewusst gemacht habe. Hier biete auch die Regel des Benedikt viele Anknüpfungspunkte. So habe der Ordensgründer schon im 6. Jahrhundert Wert darauf gelegt, dass sich die Mönche mit regionalen Produkten ernährten.



Zugleich betonte Hanke, ein Umstieg bedeute nicht, alle bisherigen wirtschaftlichen Beziehungen abrupt zu beenden. So beziehe die Abtei weiterhin Kaffee aus Mittelamerika, achte aber darauf, dass dieser aus fairem Handel stamme und von einem Betrieb in der Nähe von Plankstetten geröstet werde. Hanke: "Wenn man kreativ sein will, bieten unsere Rahmenbedingungen schon Möglichkeiten etwas zu ändern."