Abgeordnete erwägen eine mögliche Umnutzung der Kirchen in der Wallonie

Auf dem Prüfstand

Alte Kirchen, Klöster, Kapellen - für viele Belgier eher Orte der Stille und Erholung als Stätten von religiöser Bedeutung. Nur noch drei Prozent aller Belgier bezeichnen sich als praktizierende Katholiken. Konsequenzen für den Erhalt denkmalgeschützter religiöser Gebäude im wallonischen Landesteil sind möglich.

Autor/in:
Inga Kilian
 (DR)

Abgeordnete der Sozialistischen Partei (PS) sprachen sich im Parlament der Wallonie dafür aus, alle denkmalgeschützten Kirchen und Kapellen des Landes in ein Register aufzunehmen und auf ihren Zustand und die Besucherzahlen hin zu überprüfen. Die so erhobenen Daten sollen unter anderem Aufschluss über Kosten geben, die durch notwendige Restaurierungsarbeiten auf lange Sicht entstehen würden. Zugleich böte ein solches Register eine objektive Grundlage für die Entscheidung darüber, ob sich der Erhalt eines Gotteshauses lohne oder eine Umnutzung sinnvoll sein könnte, erklärten die Abgeordneten Isabelle Simonis und Daniel Senesael, die den Vorschlag in dieser Woche ins Parlament einbrachten.



Insgesamt stehen in der französisch- und deutschsprachigen Region Belgiens etwa 2.800 Gebäude unter Denkmalschutz, darunter etwa 380 Kirchen und 200 Kapellen. Medienberichten zufolge liegen die jährlichen Kosten für den Denkmalschutz bei etwa 38 Millionen Euro. Für den Erhalt der denkmalgeschützten religiösen Stätten wurden demnach 2010 etwa fünf Millionen Euro aufgewendet. In Zeiten der Finanzkrise ist die Vorstellung, durch die Entweihung einiger Kirchen einen Teil der Kosten einsparen zu können, für manchen sozialistischen Abgeordneten offenbar verlockend - vor allem vor dem Hintergrund der sinkenden Katholikenzahl in ganz Belgien.



Heikle Frage

Laut einer vom Fernsehsender RTBF veröffentlichten repräsentativen Befragung sank die Zahl derer, die sich selbst als Katholiken bezeichnen, in den vergangenen 30 Jahren um 20 Prozent. Waren es 1982 noch rund 72 Prozent, sind es heute nur noch 50 Prozent. Im gleichen Zeitraum verdoppelte sich die Zahl der selbsterklärten Atheisten der Umfrage zufolge von 24 Prozent auf 42 Prozent. Besonders für junge Leute hat die katholische Kirche nur wenig Bedeutung: Etwa 70 Prozent der nach 1984 geborenen Befragten gaben an, keine Verbindung zu ihr zu haben.



Die Ursache für den Rückgang liegt nach Einschätzung des Sprechers der Belgischen Bischofskonferenz, Tommy Scholtes, unter anderem in der tiefen Krise um sexuellen Missbrauch, aber auch in einer wachsenden Zahl von Muslimen im Land. Zudem hätten die Menschen immer weniger Neigung, sich auf etwas aus ihrer Sicht institutionelles wie die Kirche einzulassen. Ob diese Entwicklung wieder rückgängig zu machen sei, hänge unter anderem von der Qualität der Priester ab, der Qualität der Verantwortlichen in den Gemeinden und der Art und Weise, wie die Kirche ihre Botschaften vermittele.



Trotz einer wachsenden gesellschaftlichen Distanz zur Kirche: Die Frage einer Entweihung von Gotteshäusern gilt auch in Belgien als heikel. Im wallonischen Parlament reagierten einige Abgeordnete irritiert auf den Vorschlag eines derartigen Kirchenregisters. Es sei fragwürdig, warum nur religiöse Stätten und nicht generell alle denkmalgeschützten Gebäude auf den Prüfstand kommen sollten, kritisierten Abgeordnete der Christsozialen sowie der Liberalen.  Auch müsse man fragen, was die Zahl der Besucher über den kulturellen und historischen Wert eines Gebäudes aussage - und damit auch über die Notwendigkeit, es zu erhalten.