Publizist Ginzel kritisiert Nominierung von Beate Klarsfeld

"Diese Berufung ist unmoralisch"

Die Linkspartei missbrauche die Kandidatur von Beate Klarsfeld als Bundespräsidentin, so der jüdische Publizist Günther B. Ginzel. Der Partei ginge es darum, dem DDR-Bürgerrechtler Gauck "irgendwie Schwierigkeiten" zu machen.

Beate Klarsfeld / © Farid Djemmal (KNA)
Beate Klarsfeld / © Farid Djemmal ( KNA )

domradio.de: Aus der Vergangenheit wissen wir: Beate Klarsfeld packt an, sie steht zu ihren Idealen. Das findet man selten. Spricht das für sie? 
Günter B. Ginzel: Es spricht sicherlich für sie. Sie hatte historisch eine wichtige Aufgabe. Sie hat sowohl die Deutschen als auch die Franzosen gezwungen, dass sie sich mit ihrer eigenen Vergangenheit, mit ihrer Schuld, auseinandersetzen. Vor allen Dingen mit dem Schutz der Massenmörder und Kriegsverbrecher. Das ist ja das eigentliche Anliegen gewesen. 
domradio.de: Das Thema Rechtsextremismus ist leider gerade wieder allzu aktuell. Beate Klarsfeld wird als "Nazijägerin" betitelt. Brauchen wir denn so jemanden in Deutschland? Passt das auf den Stuhl des Bundespräsidenten? 
Ginzel: Ehrlich gesagt, ist dies die totale Funktionalisierung seitens eines Teils der Linken. Die auch ausweicht vor der Nicht-Aufarbeitung des eigenen Versagens gegenüber dem Antifaschismus in der DDR. Ich finde diese Berufung peinlich und ich finde sie beschädigt Frau Klarsfeld. Ich habe große Achtung vor ihr und ihrem Mut und dem, was sie getan hat. Aber das sind ja Dinge, die zurück liegen. 

Wir sind Jahrzehnte weiter! Wir haben ja mittlerweile ein, zwei weitere Generationen und eine ganz andere Situation. Und jemanden dann zu nominieren, mit diesem schrecklichen Untertitel "Nazi-Jäger", damit ist niemandem geholfen! Außer der klammheimlichen Freude der Linken, dem Herrn Gauck irgendwie Schwierigkeiten zu machen. Ich kann das einfach nur peinlich finden und ich finde es politisch geradezu unmoralisch, was die Linke da treibt. 
domradio.de: Es waren ja auch noch andere Kandidaten im Gespräch. Alles ging damit los, dass sich Gesine Lötzsch, die Vorsitzende der Linksfraktion, verplappert hat. Sie hat gesagt: "Wenn ich mir eine Bundespräsidentin wünschen dürfte, dann wäre es eine Frau wie Beate Klarsfeld." Plötzlich war sie dann da. Ist das aus der Not geboren? 
Ginzel: Es ist mit Sicherheit aus der Not geboren. In dem verzweifelten Bemühen Herrn Gauck, den sie schon einmal verhindert haben, etwas entgegen zu setzen. Denn sonst wäre Gauck Bundespräsident geworden. Wenn sie damals nicht in dem Trotz derer, die einfach nicht bereit sind das anzuerkennen, dass die DDR an ihren eigenen Fehlern, an ihrem eigenen Verrat gegenüber sozialistischen Idealen und antifaschistischen Idealen kaputt gegangen ist. 

Das war nicht die Sehnsucht nach Wiedervereinigung, das waren nicht die Bananen, das war nicht die Deutsche Mark. Sondern es war einfach die Erschütterung darüber, dass dieser ideale, gerechte, Arbeiter- und Bauernstaat eben eine Klassengesellschaft geworden ist. Wo die SED-Funktionäre wunderbar in Saus und Braus lebten und wo eine Unterteilung war zwischen oben und unten, wie sonst in keiner kapitalistischen Gesellschaft im Westen. Das wollen sie nicht zur Kenntnis nehmen. Und in diesem Kontext zaubern sie plötzlich den Antifaschismus heraus und nehmen die Frau Klarsfeld, also mir fehlen ein bisschen die Worte. Ich finde das so tragisch! 

Es zeigt auch das ganze Rückwärts-Gewandte. Jenseits von Geplapper hat man überhaupt keine Vorstellungen, wie man die Gegenwart und ihre Probleme lösen kann. Stattdessen greifen sie zurück auf einen Kampf der wichtig war, den ich hoch anerkenne. Der aber gekämpft ist! Und die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Gegensatz, übrigens auch zur DDR, wenn auch erst nach erheblichen Mühen und nachdem eine jüngere Juristengeneration dran gekommen ist, wirklich Mühe gegeben, auch juristisch, die Verbrechen des Naziregimes und die Verstrickungen von so vielen aufzuarbeiten. 

Ich finde es vollkommen deplatziert als Qualifikation jetzt "Nazi-Jäger" zu sagen, im Jahr 2012. Und außerdem, denke ich, schneidet sich die Linke eh in den Finger: Denn Frau Klarsfeld ist dafür bekannt, dass sie ein deutliches Wort redet, sicherlich auch zum Antiisraelismus, der ja an Antisemitismus grenzt, in großen Teilen der Linken. Das ist ja nicht Kritik an Israel, an seiner Siedlungspolitik, die ich ja partiell teile, sondern diese Boykottaufrufe, diese total verblendete einseitige Form des Antiisraelismus, wie er früher im neuen Deutschland praktiziert worden ist. Es kann sein, dass sie ihnen das in der Rede, in der Kandidatur des Bundespräsidenten aufs Butterbrot schmiert. Wenn sie das tut, dann hat sie ihr Gesicht gewahrt. 
Das Interview führte Verena Tröster (domradio.de) 



 

Quelle:
DR