Familienbund kritisiert Vorschlag einer Elternzeitkürzung

"Völlig inakzeptabel"

Zur Entlastung der Unternehmen wird im neuen Familienbericht eine Verkürzung der Elternzeit gefordert – das bestätigte am Dienstag gegenüber domradio.de der Familienbund der Katholiken. Bundesgeschäftsführerin Claudia Hagen erklärt im Interview, warum die Bundesregierung dem Vorschlag nicht folgen darf und wo sonst Korrekturbedarf besteht.

 (DR)

domradio.de: Gerüchteweise soll die Elternzeit jetzt von drei auf zwei Jahre verkürzt werden, so sagt es der noch unveröffentlichte aktuelle Familienbericht. Was halten Sie davon?

Hagen: Was die Medien schreiben, stimmt: Wir haben es auch gelesen, eben in dem noch unveröffentlichten Familienbericht, das kann ich also bestätigen. Wir hatten von Anfang Sorge, als wir die Zusammensetzung der Berichtskommission mit vielen Wirtschaftsprofessoren gesehen haben, dass hier eigentlich nicht die Interessen der Familien im Vordergrund stehen, sondern die Interessen der Wirtschaft. Es ist natürlich völlig inakzeptabel, dass die Elternzeit verkürzt wird. Das ist ein unverzichtbarer Schonraum für junge Eltern, der ja auch genutzt wird. Und wir sind ganz froh, dass die Bundesregierung diesem Vorschlag, so wie wir es gehört haben, wohl nicht folgen wird.



domradio.de: Laut dem Bericht hat das vor fünf Jahren eingeführte Elterngeld dazu geführt, dass die Erwerbsbeteiligung von Müttern im zweiten Lebensjahr des Kindes gestiegen ist. Was kritisieren Sie daran?

Hagen: Die Tatsache, dass mehr Mütter wieder arbeiten, kritisieren wir erst mal nicht, das ist eine Entscheidung der Mütter. Was wir kritisieren, ist die Gruppe der Mütter. Wenn man sich das mal genau anschaut, gibt es im ersten Lebensjahr mehr Mütter mit hohem Einkommen, die es sich leisten können, zu Hause zu bleiben, Mütter, die vorher kein Erziehungsgeld bekommen haben. Im zweiten Lebensjahr sind es vor allen Dingen Mütter mit geringem Einkommen und Mütter aus Ostdeutschland, die wieder verstärkt in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Und da kann man schon mal fragen, ob die das alle freiwillig machen. Oder ob sie es nicht doch vielleicht lieber flexibler handhaben wollen und ein bisschen zu Hause bleiben, so wie die Mütter mit hohem Einkommen.



domradio.de: Welche Lösung favorisieren Sie?

Hagen: Wir schlagen vor, dass alle Familien eine Anschlussleistung an das Elterngeld bekommen und so der finanzielle Schonraum über einen Beitrag von 300 Euro noch mal auf das zweite Lebensjahr des Kindes verlängert wird. Das Geld können die Familien dann für die Kinderbetreuung oder die häusliche Betreuung einsetzen. Damit würde man allen Eltern helfen.



domradio.de: Aber zumindest im ersten Lebensjahr des Kindes ist ja das Einkommen von Eltern durch das Elterngeld gestiegen, im Schnitt um rund 400 Euro monatlich. Ein guter Anfang, oder?

Hagen: Das ist es, das hat sich bewährt. Aber im zweiten Jahr muss auch noch etwas passieren. Und ein kleiner Wehrmutstropfen ist auch hier, dass die Familien im Hartz-IV-Bezug davon nicht profitieren, hier wird das Elterngeld mit den Transferleistungen verrechnet, so dass die leer ausgehen. Diejenigen, die das Geld am nötigsten bräuchten, profitieren also nicht. Darüber könnte man auch noch mal diskutieren.



Das Gespräch führte Monika Weiß.



Hintergrund: Wie die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag) unter Hinweis auf den noch unveröffentlichten Bericht der Bundesregierung berichtet, kritisiert die Sachverständigenkommission die gesetzliche Dauer von drei Jahren als "insgesamt fragwürdig". Die Möglichkeit, bis zu drei Jahre aus dem Berufsleben auszusteigen, bedeute "eine große organisatorische und finanzielle Belastung für die Unternehmen", monieren die Regierungsberater und plädieren für eine Verkürzung auf zwei Jahre.



Das Bundesfamilienministerium dementierte derartige Kürzungspläne vonseiten der Bundesregierung. Der Bericht der Kommission werde gemeinsam mit einer Stellungnahme der Regierung am 14. März im Kabinett behandelt. "Einer Beschränkung der Elternzeit wird die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme nicht folgen", erklärte das Ministerium am Dienstag in Berlin.



Laut Bericht wäre es auch möglich, eine volle Auszeit nur noch zwölf Monate lang zu gewähren, danach aber eine Teilzeit-Arbeit von den Eltern zu verlangen, heißt es laut Zeitung. Der Familienbericht, der alle fünf Jahre im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt wird, trägt diesmal den Titel "Zeit für Familie". Die Wissenschaftler fordern darin zudem eine Überprüfung des Ehegatten-Splittings, da die Regelung dazu beitrage, dass viele Frauen keine Erwerbstätigkeit anstrebten.