Bruder Paulus Terwitte über die Bedeutung des Familienstandes eines Bundespräsidenten

"Er muss überhaupt gar nichts"

Muss Joachim Gauck seine "Verhältnisse in Ordnung bringen", wie es manche Katholiken fordern? Was müsste er tun: Scheidung, neue Heirat, Trennung von seiner Lebensgefährtin? domradio.de-Ethiker Bruder Paulus Terwitte auf der Suche nach Antworten: "Wie er das als Theologe, als Christ vor Gott verantwortet, weiß ich nicht."

 (DR)

domradio.de: Ist es für das Amt des Bundespräsidenten wichtig, wie er mit seiner Freundin zusammen lebt oder geht das nur Joachim Gauck selbst was an?

Bruder Paulus: Also zum einen glaube ich, dass ein öffentliches Amt niemanden drängen kann, etwas  zu tun, was eine Gewissensfrage ist; nämlich wie ich in meinem privaten Umwelt mit Menschen umgehe. Also ich finde, da darf auf das Gewissen kein Druck ausgeübt werden, und wenn Herr Gauck so im Schloss Bellevue leben will, dann muss er dann dort so leben und wir werden lernen, das irgendwie zu akzeptieren.



domradio.de: Wie rein muss die Weste eines Bundespräsidenten denn überhaupt sein?

Bruder Paulus: In diesem Fall möchte ich schon noch hinzufügen, dass man sich schon fragen kann, wie das jemand mit seinem Gewissen vereinbaren kann: Verheiratet zu bleiben und gleichzeitig eine Lebensgefährtin zu haben. Wir haben in unserer Gesellschaft die Ehe als das Fundament  unseres gesellschaftlichen Zusammenseins im Grundgesetz festgelegt. Und die Familie ist  Ordnungsform, die gehört in die gesellschaftliche Ordnung hinein, und es  ist keine Privatsache, wie jemand sein Leben mit einem anderen gestaltet. Es ist immer ein öffentliches Zeugnis und insofern muss auch Herr Gauck jetzt an dieser Stelle Farbe bekennen, warum er das jetzt für sich so in Anspruch nimmt. Das wird man schon noch gerne von ihm hören wollen.  Eine reine Weste hat glaube ich kein Mensch.  Ein Politiker sollte einfach nur ehrlich sein, und wenn es jetzt so ist bei Herrn Gauck, dass er so leben kann schon seit zwölf Jahren, dann ist das so, und dann werden wir das akzeptieren müssen.



domradio.de: Man hat ja auch so ein bisschen das Gefühl, da wird regelrecht nach Makeln gesucht bei manchen Dingen. Ist das Effekthascherei vielleicht auch, die dahinter steckt?

Bruder Paulus: Natürlich will jetzt jeder sich ein bisschen interessant machen und auch noch was Dummes und Böses und sonst was finden an Joachim Gauck. Und ich finde, das ist jetzt auch ein bisschen  überzogen, was da jetzt alles hervorgeholt wird. Er hat  bis jetzt nicht als Bundespräsident gesprochen, und das, was er sonst von sich gegeben hat, war eine klare Meinung, die er als Bürger in diesem Land sagen darf. Es wundert mich schon wirklich sehr, dass Leute, die sonst immer von Toleranz reden, jetzt plötzlich mit erhobenem Zeigefinger daher kommen und glauben, sie könnten moralische Urteile über jemanden fällen. Die möchte ich doch gerne an ihr eigenes Toleranzbegehren allen anderen gegenüber erinnern.



domradio.de: Und da würde es reichen, wenn er sich erklärt oder würden Sie sagen, er muss da Nägel mit Köpfen machen und sich scheiden lassen?

Bruder Paulus: Also er muss überhaupt gar nichts. Also jemand ist im Gewissen nur zu dem verpflichtet, wo  zu ihn sein Gewissen eigentlich letztlich ruft. Und in diesem Fall  ist es so, dass er vielleicht einfach noch mal erläutern kann: Das ist mein Gewissen, was ich jetzt habe und ich möchte jetzt im Moment einfach das so stehen lassen. Dann ist das so in unserem Land. Wie er das als Theologe, als Christ vor Gott verantwortet, weiß ich nicht.



Das Gespräch führte Verena Tröster.