Die frühere Bundestagspräsidentin Süssmuth wird 75

Einmal mehr aufstehen als hinfallen

"Einmal mehr aufstehen als hinfallen" - so lautet eines ihrer Lebensmottos. Wer den Lebenslauf von Rita Süssmuth betrachtet, wundert sich über so viel Nüchternheit. Denn die katholische CDU-Politikerin, die am Freitag ihren 75. Geburtstag feiert, hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

1969 wurde sie Professorin für Erziehungswissenschaften, 1985 als Seiteneinsteigerin in die Politik Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, ein Jahr später auch Deutschlands erste Frauenministerin. Und von 1988 bis 1998 als Bundestagspräsidentin zweite Frau im Staat.



Doch einfache Triumphe blieben der gebürtigen Wuppertalerin versagt: "In meiner politischen Laufbahn hat es immer wieder Situationen gegeben, wo ich gedacht habe, es geht nicht mehr", räumte sie ein. Das galt sicher auch für die "Dienstwagen-Affäre" 1991: Ihr Ehemann habe, so der Vorwurf gegen die Bundestagspräsidentin, den Fahrdienst des Bundestages benutzt. 1996 wurde ihr vorgeworfen, sie habe die Flugbereitschaft der Bundeswehr zu privaten Besuchen bei ihrer Tochter in der Schweiz genutzt. In beiden Fällen wurde sie entlastet. Trotzdem sank ihre zuvor hohe Popularität dramatisch.



Katholische Sozialisation

Dass sie als Frau in Wissenschaft und Politik überhaupt erfolgreich wurde, schreibt Süssmuth ihrem Vater zu. Der habe sie von ihren typisch weiblichen Plänen abgebracht, Krankenschwester zu werden, und großen Bildungshunger in ihr geweckt. Dass sie sich in der CDU engagierte, führt sie auf ihre katholische Sozialisation und ihre Prägung durch die christliche Soziallehre zurück. Die Wissenschaftlerin war lange auch kirchlich aktiv: Sie leitete die Kommission "Ehe und Familie" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken und amtierte von 1980 bis 1985 als Vizepräsidentin des Familienbundes der Katholiken.



Den Einstieg in die große Politik verdankte Süssmuth, die erst 1981 CDU-Mitglied wurde, dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Als Familien- und Frauenministerin sollte die mediengewandte Wissenschaftlerin ihre Partei für moderne Wählerschichten öffnen. Auf Grund ihrer Vorarbeiten verabschiedete der Essener CDU-Parteitag 1985 Leitsätze für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das Erziehungsgeld geht mit auf sie zurück. 1996 setzte sie sich vor dem CDU-Parteitag für die Einführung einer Frauenquote in der Partei ein.



Doch schnell geriet die meinungsstarke Politikerin mit dem konservativen Flügel der Union aneinander. 1992 votierte sie für die Reform des Paragrafen 218, der eine Fristenlösung mit Beratungspflicht vorsah - dafür erntete sie heftige Kritik der katholischen Bischöfe. Bei Themen wie Vergewaltigung in der Ehe, vorbeugender Aidspolitik und wegen ihrer positiven Haltung zu Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft wurde sie von Parteifreunden als Liberale beschimpft. Misstrauen in den eigenen Reihen weckte sie auch, als sie vom SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2000 zur Vorsitzenden der Kommission für Zuwanderung gemacht wurde.



Auch in der Zeit nach der Politik engagiert

Auch mit ihrem Mentor Kohl stand sie schließlich auf Kriegsfuß: Der Pfälzer lobte die Politikerin 1988 auf das repräsentative Amt der Bundestagspräsidentin weg. 1989 gehörte sie zu den CDU-Politikern, die ihren Parteivorsitzenden auf dem Bremer Parteitag stürzen wollten. In ihren Memoiren geht Süssmuth streng ins Gericht mit dem "System Kohl". Der Kanzler habe von ihr "weniger Offenheit für Andersdenkende" und dafür "mehr parteigebundenes Denken" gefordert.



Obwohl die CDU-Politikerin 2002 ihr Bundestagsmandat aufgab, engagiert sie sich weiterhin politisch, insbesondere für Frauenthemen, Aidskranke und Migranten. Seit 1988 ist sie Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes. Von 2002 bis 2004 war sie Vorsitzende des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration. Auch in der Frauenfrage ist sie weiterhin kämpferisch. Vergangenes Jahr sprach sie sich für rechtlich verbindliche Frauen Quoten in Politik und Wirtschaft aus. Den "Quotenmuffeln" in ihrer eigenen Partei attestierte sie einen Rückfall in die fünfziger Jahre.