Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen setzen Christian Wulff unter Druck

Bundespräsident in Erklärungsnot

Nach der Bekanntgabe staatsanwaltschaftlicher Vorermittlungen gegen Christian Wulff beschäftigt sich heute das politische Berlin mit dem Fall. Der Bundespräsident selber will sich heute erklären.

Autor/in:
Manfred Rey
 (DR)

Führende Politiker von SPD forderten das Staatsoberhaupt bereits zum Rücktritt auf. Führende Grünen-Politiker meinten, er müsse mindestens das Amt ruhenlassen. Auch in Wullfs politischer Heimat, der CDU, wird ein Rücktritt nicht mehr ausgeschlossen. Für 11 Uhr kündigte das Bundespräsidialamt am Freitag eine Erklärung an.



Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Donnerstag beim Bundestag die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhaupts beantragt. Es bestehe ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme, erklärte ein Sprecher. Auch gegen den Filmunternehmer David Groenewold bestehe ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsgewährung. Hintergrund ist eine Reise Wulffs und seiner Frau Bettina 2007 in ein Luxushotel auf Sylt.



Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Meister, rechnet mit der Aufhebung der Immunität Wulffs. "Das wäre dann eine völlig neue Situation, die wir noch nie hatten", sagte der CDU-Politiker dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Freitagausgabe). "Die Frage ist dann, ob Christian Wulff glaubt, damit umgehen zu können, das muss er aber selbst beantworten."



"Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen"

Der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe Niedersachsen im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, schließt einen Rücktritt Wulffs nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hannover nicht mehr aus. "Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitagausgabe). "Kein anderer kann ihm diese Entscheidung abnehmen."



Für die CDU-Bundestagsabgeordnete Stefanie Vogelsang ist der Fall dagegen noch offen "Ich habe großes Vertrauen in unsere Staatsanwaltschaft. Die werden Entlastendes ermitteln, die werden Belastendes ermitteln, und für uns gilt die Unschuldsvermutung - und zwar vom kleinen Tiefbauamtsleiter bis zum ersten Mann im Staat", sagte sie am Freitag im ARD-"Morgenmagazin.



Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" (Freitagausgabe) wird in der Führung der FDP mit einem baldigen Rücktritt Wulffs gerechnet. "Ich glaube, das war"s", zitiert die Tageszeitung ein Mitglied der FDP-Führung. Die Liberalen setzen darauf, zusammen mit der CDU/CSU ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Die meisten Mitglieder der FDP könnten sich "ein monatelanges Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten nicht vorstellen". Einen Rücktritt Wulffs verlangen werde die FDP indes nicht. "Er muss selbst entscheiden", zitierte die Zeitung das Mitglied aus der FDP-Führung.



Nahles und Stegner fordern Rücktritt Wulffs

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: "In meinen Augen ist eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung mit dem Amt des Bundespräsidenten unvereinbar", sagte Nahles der "Passauer Neuen Presse" (Freitagausgabe). Im ARD-"Morgenmagazin" forderte sie am Freitag den Rücktritt Wulffs. Auch Merkel müsse sich nun zu dem Fall äußern.



Der SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte "Handelsblatt Online", er rechnet nach der Beantragung der Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten mit dessen Rücktritt. "Nach einem wochenlangen Trauerspiel ist nun wohl endgültig der Punkt erreicht, an dem ein Rücktritt des Bundespräsidenten unvermeidlich erscheint."



Auch die Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast und Jürgen Trittin, sehen kaum noch eine Zukunft für Wulff im Amt des Bundespräsidenten. Wulff müsse mindestens sein Amt ruhen lassen, forderten Künast und Trittin am Donnerstagabend in Berlin. "Wir werden dazu beitragen, dass zum frühstmöglichen Zeitpunkt seine Immunität aufgehoben wird", betonten Künast und Trittin.



Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der Nachrichtenagentur dapd: "Christian Wulff sollte sein Amt jetzt umgehend ruhen lassen." Das sei das Mindeste. "Was muss eigentlich noch passieren, bis Christian Wulff begreift, in welche Situation er das Amt des Bundespräsidenten gebracht hat?", fügte Roth hinzu.