Der Erfurter Bischof Wanke über den Weg der Kirchen in die Zukunft

"Wir brauchen demütiges Selbstbewusstsein"

Religion 2030: Experten beider Kirchen versuchten bei einem Symposium diesen Blick in die Zukunft. Im domradio.de-Interview spricht der Erfurter Bischof Joachim Wanke über Chancen der Glaubensverkündigung und wünscht sich eine Wiederentdeckung des Gottesdienstes.

 (DR)

domradio.de: Worauf kommt es in Zukunft an?

Wanke: Die Zukunft liegt in Gottes Hand. Wir können sie mitgestalten, wir können Weichen stellen. Es kommt sicher darauf an, dass wir noch aufmerksamer auf das hören, was das Evangelium uns eigentlich sagt. Und, dass wir auch auf die konkrete Situation der Menschen schauen: die Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Freuden der Menschen von heute müssen mit dem Evangelium in Berührung kommen.



domradio.de: Als Christen sind wir dazu aufgerufen, das Evangelium zu verkünden. Wie kann das gelingen?

Wanke: Indem wir selber auf das Evangelium hören. Wir haben anderen prinzipiell nichts voraus. Nur vielleicht das Privileg, dass Gott uns dauernd unsere Erbärmlichkeit vor Augen führt, und dass wir auf seine Hilfe angewiesen sind. Aber natürlich auch mit Findigkeit und mit einer gewissen Empathie und Sympathie für die Menschen um uns herum. Wie wenn einer sagt: Ich habe einen guten Urlaub erlebt, da musst Du auch mal hinfahren, das hat mir so gefallen, komm mach Dich auf, wir fahren mal zusammen. In dieser Weise werbend einzustehen für das, was wir selbst von unserem Glauben her empfangen. Das wäre ein Weg, der auf Augenhöhe mit den Zeitgenossen ein Stück Offenheit schafft für das, was Kirche eigentlich will.



domradio.de: Was muss auf diesem Weg besonders beachtet werde?

Wanke: Wir brauchen eine starke geistliche Stärkung der Personen, ein demütiges Selbstbewusstsein brauchen heute katholische und evangelische Christen. Selbstbewusstsein in dem Sinne: Uns ist etwas geschenkt, was reine Gabe und für alle wichtig ist. Demütig aber, weil wir wissen, es ist in der Tat eine Gabe und nicht unser Verdienst. Und da könnte auf jeden Fall auch der Gottesdienst der Kirche als der Ort, wo sich immer wieder der Himmel über unserem konkreten Alltag öffnet, sein. Gerade die Würde und Schönheit des Gottesdienstes muss von uns neu entdeckt werden. Auch eine kleine Gemeinde kann in Freude und Zuversicht Gottesdienst feiern. Das ist eine Quelle, die uns immer wieder stark macht für den mühseligen Weg im alltäglichen Christsein.



domradio.de: Prognosen für die Zukunft sind immer schwierig, Sie selber haben in Ihrem Leben festgestellt, dass man mache Sachen gar nicht voraussehen kann und sich überraschen lassen muss. Wenn Sie versuchen, nach vorne zu schauen: Wo sehen Sie eine Kirche 2030?

Wanke: In der Tat haben wir hier die politische Revolution erlebt, die unsere Gesamtsituation auch als Kirche stark verändert und beeinflusst hat. Gott ist immer gut für Überraschungen. Aber wir werden Kirche im Pluralismus werden. Und das bedarf einer sehr starken inneren Entschiedenheit in der Frage: Warum bin ich eigentlich Christ? Wer soll der Herr, wer der Maßstab meines Lebens sein? Von daher: eine Kirche, die aus dieser inneren Entschiedenheit heraus lebt, aber gleichzeitig auch offen ist für die Menschen, die um uns herum leben. Wir bleiben Diaspora-Kirche, die Zahlen werden sich nicht wesentlich ändern, bis 2030 ist es gar nicht mehr so weit. Aber wir können mit Freude sagen: Wir werden in Thüringen mithelfen, hier den Himmel Gottes offen zu halten.



Das Gespräch führte domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.