Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten

Kinder mit Gewehr und ohne Kindheit

Im Kongo tobt seit Jahren einer der blutigsten Bürgerkriege weltweit. Millionen Menschen kamen ums Leben, auch Tausende Minderjährige sind bei Armee und Rebellen im Einsatz. Bahati war einer von ihnen – bis er aus dem Gefängnis gekauft wurde. Nun soll er das Töten verlernen.

Autor/in:
Dagmar Wittek
 (DR)

Im schummrigen Licht eines Unterschlupfs blitzt das Weiß Dutzender Kinderaugen. Es sind die Augen ehemaliger Soldaten, viele von ihnen sind noch keine 15 Jahre alt. Die Jungen sind unruhig, denn im kriegszerrütteten Bukavu, einer Provinzhauptstadt im Osten des Kongo, ist der Strom ausgefallen. Nun könnte sich das Essen verzögern. "Das Essen spielt eine zentrale Rolle hier", erklärt Murhabasi Namegabe, der Leiter des Heims für derzeit 50 ehemalige Kindersoldaten. Die Jungen müssten lernen friedlich miteinander umzugehen und zu teilen.



"Sie haben bislang im Busch gekämpft", erzählt Namegabe. "Eine Kindheit hatten sie nie, und normales soziales Verhalten kennen sie nicht." Die kongolesische Hilfsorganisation BVES, für die Namegabe arbeitet, versucht ehemalige Kindersoldaten in die Gesellschaft zu integrieren. Es ist eine gewaltige Aufgabe, denn nach UN-Schätzungen dienen allein in der staatlichen Armee rund 30.000 Kindersoldaten.



In einem verzweifelten Versuch einen der blutigsten Bürgerkriege weltweit zu beenden, integriert die Regierung seit knapp zwei Jahren Milizen und Rebellen in die Armee. Die Folge: staatlich gebilligtes Marodieren und Plündern sowie beim Staat engagierte Kindersoldaten, da Milizen und Rebellen Kinder kidnappten und rekrutierten. Bei dem Krieg zwischen Regierung und mehreren Rebellengruppen starben allein in den vergangenen 15 Jahren rund fünf Millionen Menschen.



Ziel: Kinder mit ihren Familien vereinen

"Wenn man mir sagte, schieß ins Herz, dann habe ich es getan", erzählt der 16-jährige Bahati. Er sei gnadenlos und kaltblütig gewesen, deshalb hätten ihn die Mai Mai Rebellen auch rekrutiert, sagt der Junge mit emotionsloser Stimme. Die Mai Mai sind für ihre Brutalität und vermeintliche Unverwundbarkeit berühmt-berüchtigt. Von ihnen wurde er mit zwölf Jahren verschleppt. Seine Familie hat er seitdem nicht mehr gesehen.



Ziel der Organisation BVES ist es, Jungen wie Bahati wenn möglich wieder mit ihren Familien zu vereinen. Sie sollen zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen. Auf diese Weise möchte man die Kinder und Jugendlichen in die von jahrelangem Bürgerkrieg fragile ostkongolesische Gesellschaft reintegrieren. "Es ist der Versuch, ihnen eine Kindheit zurückzugeben, die sie nie hatten", sagt Namegabe.



Der Weg dahin ist lang und nicht immer erfolgreich. Bahati wurde von Helfer Namegabe aus dem Gefängnis ausgelöst. Dort war der Junge gelandet, nachdem er der Frau des Generals, dem er in der Armee unterstellt war, beide Beine gebrochen hatte. "Der wollte mir meinen Lohn nicht auszahlen", erklärt Bahati. Im Zentrum des BVES in Bukavu, der Hauptstadt der Bürgerkriegsprovinz Süd-Kivu, kümmert sich nun ein Team aus Psychologen, Soziologen, Ärzten und Ernährungsberatern um Bahati.



Zwei von Drei Kindern schaffen es

Den Kindern müsse alles von neuem beigebracht werden, die einfachsten Dinge wie sich regelmäßig zu waschen, an einem Tisch zu sitzen und einem durch Schule oder Ausbildung geregelten Tagesablauf nachzukommen, erzählt Namegabe. "Auch wie Konflikte friedlich gelöst werden können, wenn es zum Beispiel Streit um einen Ball beim Spielen auf dem Innenhof des Heims gibt, müssen die Jungen erst lernen."



Für Bahati, der erst seit wenigen Monaten im BVES wohnt, ist es noch ein langer Weg. Es wird dauern, bis er die Zeit der Gräueltaten als Kindersoldat hinter sich lassen kann. "Wir sind zwar demobilisiert, aber wenn es wieder Krieg gibt, dann kämpfe ich", sagt er noch.



Die Unterkunft für Kindersoldaten wird maßgeblich vom Kinderhilfswerk UNICEF finanziert. Das Essen wird vom Welternährungsprogramm beigesteuert. Seit 1992 hat das BVES Zigtausende Kinder und Jugendliche psychologisch betreut. Allein im vergangenen Jahr hat es für weit über 800 Kindersoldaten ein neues Zuhause gefunden. Entweder konnten Familienangehörige ausfindig gemacht werden, oder die Jungen wurden in Gastfamilien oder in kleinen Wohngemeinschaften in unmittelbarer Nähe des BVES untergebracht.



Die meisten seien stabil, würden ihre Ausbildungen abschließen und ein neues Leben beginnen, berichtet Namegabe. Der Leiter des Zentrums blickt zuversichtlich in die Zukunft der Kinder: "68 bis 70 Prozent unserer Jungs schaffen es."