Mit dem Alzheimer-Geständnis von Rudi Assauer rückt die Volkskrankheit wieder in den Blickpunkt

Noch immer Tabuthema

Er präsentierte sich gern als Macho, Lautsprecher und Großmaul mit Zigarre. Umso stärker wirkt jetzt das Bekenntnis des früheren Schalke-Managers Rudi Assauer in der "Bild"-Zeitung, er leide an Alzheimer. Es sei gut, wenn Prominente die Krankheit zum Thema machten, sagt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

"Wenn es eine Sache in der Welt gibt, wenn es eine Sache in meinem Leben gibt, vor der ich immer Angst hatte, so richtig Schiss auf gut Deutsch, dann Alzheimer", so zitiert die "Bild"-Zeitung aus der Autobiographie des Fußballmanagers, die am Donnerstag erscheinen soll. "Bloß nicht dement werden im Alter, das schwirrte mir oft im Kopf herum."



Wie offensiv "Mister Schalke" dennoch mit seiner Erkrankung umgeht, zeigt jetzt eine Ankündigung des ZDF: Für einen am kommenden Dienstag geplanten Beitrag der Reihe "37 Grad" hat ein Fernsehteam den 67-Jährigen ein ganzes Jahr lang begleitet. Das Team sei bei sehr privaten Momenten dabei gewesen und habe beobachten können, "welche Klippen Rudi Assauer bei Auftritten in der Öffentlichkeit umschiffen muss und was die Krankheit für Familie und Freunde bedeutet". Assauer wolle sich mit dem Film offenbaren - "schonungslos und offen".



Nicht der erste und nicht der einzige Prominente

Assauer ist nicht der einzige Prominente, dessen Demenz-Erkrankung die Öffentlichkeit aufwühlt. Immer wieder berichtet Bundesarbeitsministerium Ursula von der Leyen (CDU), wie ihre Familie mit der Demenz ihres prominenten Vaters, des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, umgeht. Im vergangenen Mai sorgte der Suizid von Playboy Gunter Sachs für Aufmerksamkeit. Er hatte sich aus Angst vor dem Verfall durch Alzheimer erschossen.



Für Schlagzeilen sorgte auch das Schicksal des an Alzheimer schwer erkrankten Literaturwissenschaftler Walter Jens. Der Befürworter der aktiven Sterbehilfe hängt nach Darstellung seiner Familie sehr an seinem Leben. Er sei "erstaunlich fröhlich" und voller Lebenswillen, erklärte im vergangenen Jahr sein Sohn Tilman, der ein nicht unumstrittenes Buch über die Krankheit seines Vaters geschrieben hat. "Auch das Leben mit Alzheimer kann seine Würde haben." In der modernen Literatur ist Alzheimer längst angekommen: Martin Suters 1997 erschienener Kriminalroman "Small World" thematisiert ebenso den Verfall durch Alzheimer wie Arno Geigers anrührendes Buch über seinen demenzkranken Vater "Der alte König in seinem Exil".



Noch immer Tabuthema

In Deutschland leben etwa 1,2 Millionen demente Menschen, zwei Drittel haben Alzheimer; eine wirksame Therapie gegen die Erkrankung, die sich durch Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn zeigt, steht nach wie vor aus. Jedes Jahr werden bis zu 300.000 Demenz-Neuerkrankungen diagnostiziert, davon 120.000 Alzheimer-Fälle. Weltweit seien schon jetzt 36 Millionen Menschen demenzkrank, heißt es im Welt-Alzheimer-Bericht von 2011. Für das Jahr 2030 sei von 66 Millionen Betroffenen auszugehen.



Doch noch immer sei das Thema ein Tabu, kritisierte am Dienstag die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Im Bielefelder "Westfalen-Blatt" lobte ihr Sprecher Hans-Jürgen Freter Assauer dafür, dass er seine Erkrankung öffentlich gemacht hat. "Alzheimer ist ein Tabu. Deshalb ist es gut, wenn Prominente es zum Thema machen."



Die Fachgesellschaft riet jedem Alzheimer-Patienten, in seinem Freundes- und Bekanntenkreis über die Diagnose zu sprechen und das Umfeld auf den geistigen Abbau vorzubereiten. "Dann erfährt man mehr Verständnis und Hilfe, wenn es irgendwann soweit ist", sagte Freter. Obwohl niemand etwas für die Krankheit könne, führe der Verlust geistiger Fähigkeiten zu einer ablehnenden Haltung vieler Menschen. Gerade auf dem Land komme es noch vor, dass Alzheimer-Patienten versteckt würden oder ihre Familie nicht über die Krankheit spreche.



Der Experte verwies auf den früheren US-Präsident Ronald Reagan, der 1994 fünf Jahre nach Ende seiner Präsidentschaft die Nation über seine Alzheimer-Erkrankung informiert habe. "Auf einmal floss Geld in die Forschung." Diesen Effekt erhoffe er sich auch für Deutschland, sagte Freter. "Die Alzheimerforschung bekommt zu wenig Fördermittel und steckt deshalb in den Kinderschuhen."