Attac zum Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos

Nachhaltig, nachhaltig, nachhaltig

Selbstkritische Töne kommen vom Weltwirtschaftsforum in diesem Jahr: Der Chef des Forum zweifelt angesichts der anhaltenden Turbulenzen im Finanzsystem am Kapitalismus. Trotz des Bekenntnisses glaubt Kerstin Sack von Attac Deutschland nicht, dass die Gipfelteilnehmer einen Wandel vollbringen werden. Sie fordert im domradio.de-Interview deutlich nachhaltigere Modelle für die Weltwirtschaft.

Gerade einmal 7.000 Aktivisten beim Weltsozialforum (KNA)
Gerade einmal 7.000 Aktivisten beim Weltsozialforum / ( KNA )

domradio.de: Das Motto des Weltwirtschaftsforums in Davos "Die große Transformation - neue Modelle gestalten" lässt ziemlich viel Raum für Phantasie. Es gibt aber auch ganz konkrete Forderungen aus den Reihen von Weltorganisationen zum Beispiel, dass jetzt in Zeiten der Krise die Regierungen nicht so stark sparen sollten, warum nicht?

Frau Sack (Attac): Die Sparmaßnahmen zum Beispiel von Griechenland und Spanien führen dazu, dass die Bevölkerungen immer weniger Geld haben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und sie führen auch dazu, dass das negative Auswirkungen auf die Wirtschaft des jeweiligen Landes hat. In Griechenland ist zum Beispiel das Wirtschaftswachstum gesunken und führt zu größeren Problemen, das heißt auch die Schulden von Griechenland sind nicht bekämpft worden, sondern weiter gestiegen.

domradio.de: Welche neuen Modelle fordert denn Attac?

Kerstin Sack: Wir fordern seit unserer Gründung eine Regulierung oder "Entwaffnung" der Finanzmärkte. Auch diese Schere, die zwischen Arm und Reich immer größer wird, führt zu negativen Auswirkungen und die Lösungen, die in der Regel vom Weltwirtschaftsforum kommen, führen leider nicht dazu, diese Probleme zu lösen. Es werden teilweise auch radikale Sachen in Frage gestellt, der Kapitalismus in dieser Form sei nicht mehr tragbar, sagt zum Beispiel der Chef dieses Forums, aber diese Rede kennen wir auch von Frau Merkel schon seit längerem und tatsächlich ändert sich nichts. Symbolisch gesprochen, heißt das für uns: in Davos treffen sich die ein Prozent und in Porto Alegre die 99 Prozent und da gibt es halt unterschiedliche Interessen.

domradio.de: In Porto Alegre in Brasilien findet zurzeit das thematische Sozialforum statt, eine Art Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum in Davos und in Lateinamerika gibt es schon einige neue Modelle im Kampf gegen die Krise. In wieweit haben die Südamerikaner in Ihren Augen die Krise besser gemeistert?

Sack: Erst einmal haben sie zum Beispiel wie Argentinien ein Schuldenmoratorium gemacht, das heißt an erster Stelle stehen nicht die Rückzahlungen der Schulden an die Gläubiger, sondern die Interessen der Menschen. In Ecuador wurde zum Beispiel ein Schuldenaudit durchgeführt, wo auch nachgeforscht wurde, wodurch sind eigentlich die Schulden entstanden und müssten diese Schulden eigentlich zurückgezahlt werden und vor allen Dingen haben sich fast alle Länder vom internationalen Währungsfonds unabhängig gemacht. Sie haben gesagt, wir müssen eine eigene Finanzmarktarchitektur aufbauen, die nicht auf den Grundlagen fußt, die der Internationale Währungsfonds verordnet hat, das heißt eben Sparen, Privatisieren, was in Lateinamerika ja gerade auch zu den Krisen geführt hat, sondern wir müssen für die Bevölkerung ein besseres Einkommen sichern, die Armut bekämpfen und vor allen Dingen auch gucken, dass wir die Natur berücksichtigen und dass es nicht dazu führt, dass eben der Klimawandel noch verstärkt wird.

domradio.de: Also sind sie tatsächlich der Meinung, dass die Mächtigen, die jetzt in Davos zusammenkommen, sich von diesen südamerikanischen Modellen einiges abgucken könnten?

Sack: Die Wirtschaft in diesen Ländern wächst hier im Moment, auch wenn wir sagen, dass Wachstum in Industrieländern nicht die Lösung ist, sondern auch, dass wir davon wegkommen müssen, weil es eben darum geht, eine nachhaltige Entwicklung für die ganze Welt zu entwickeln und da müssen wir uns natürlich ganz neue Modelle überlegen. So wie wir hier leben, wenn wir das auf die ganze Welt übertragen würden, dann bräuchten wir mehrere Planeten. Von daher denke ich, wir können davon lernen und deshalb ist auch der Austausch für uns sehr wichtig.

Das Interview führte Hilde Regeniter (domradio.de)