Bei "Golgota Picnic" bleibt der Theaterskandal aus

"Der liebe Gott wird das aushalten"

Das Stück provoziere durch "Pornographie und Blasphemie", werfen Kritiker über "Gólgota Picnic" vor. "Fast ein geistliches Erlebnis", sagt Hermann Breulmann. Der Jesuitenpater hat für das Erzbistum Hamburg die Premiere besucht. Im domradio.de-Interview beschreibt der Geistliche Rektor der Katholischen Akademie Hamburg seine Eindrücke.

 (DR)

domradio.de: Sind die Proteste gerechtfertigt, wie haben Sie das Stück empfunden?

Breulmann: Es war ein Stück, das einerseits hart eine Zumutung war. Andererseits hat es mich auch berührt.

domradio.de: Was hat Sie denn berührt?

Breulmann: Mich hat berührt, dass nachher ein Pianist 40 Minuten lang die letzten Worte Jesu von Haydn spielte. Er saß dabei nackt am Piano, wurde aber als Silhouette auf eine Schattenwand projiziert. Das hat mir die Gelegenheit gegeben, auch das Vorherige in guter Weise zu sortieren, so dass das für mich fast ein geistliches Erlebnis wurde.

domradio.de: Was glauben Sie, soll mit dem Stück transportiert werden?

Breulmann: Zunächst einmal sollten sicherlich die ganze Kreuzigungsszene und die Figur Jesu an einen anderen Ort verlagert werden, in einen massiven, auch drastischen Konsumismus. Von daher war es auch ein moralistisches Stück. Was mir nicht gefallen hat: Es war auch ein leibfeindliches Stück, weil der gefallene Engel schwebte am Anfang und Schluss über dem Ganzen. Selbst bei den vielen Nackten war letztlich die Frage der Gleichgültigkeit, auch der Weltfeindlichkeit, und die Haltung gegen alle Mischungsverhältnisse auch Thema dieses ersten Teil des Stückes; dass der Mensch, der Christ, auch die Inkarnation, letztlich auch eine Bejahung der Welt ist: dass Gott sich nicht aussuchen konnte, in welchem Menschen er Mensch wurde, sondern dass er letztlich eine Liebeserklärung, ein letztes Ja zu dieser Welt und zu den Menschen gesagt hat, und diese von daher im Letzten auch liebeswürdig sind - das wurde in diesem Stück von Anfang an bestritten. Von daher ist das ein gnostische Tradition: Rubens, die ganze Bildtradition wurde abgeräumt, und zum Schluss blieb noch die Musik. Und die sieben letzten Worte Jesu, die nicht gesprochen, sondern auf eine Leinwand projiziert wurden. Auch ein Stück der Einsamkeit, würde ich sagen. Aber einer spirituellen Einsamkeit, die auch nachdenklich machte. Und die, wie die Schauspieler mir sagten, für sie auch eine Art Gebet waren.

domradio.de: Also haben die nackten Menschen auf der Bühne die Kreuzigungsszene in Szene gesetzt und die Menschen auch berührt?

Breulmann: Berührt und auch schockiert. Sie hatten auch blasphemische Elemente, wobei ich sagen würde: Blasphemisch ist Jeremia auch schon gewesen, als er die Tempelgötter lächerlich machte. Ich glaube auch, dass ein blasphemischer Kern im Zentrum unseres Glaubens steht. Jesus ist wegen Gotteslästerung auch gekreuzigt worden. Der Satz "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen" ist ja nicht nur ein geistlich-beruhigender Satz, sondern auch ein Satz, der einen tiefen Riss noch mal ins Zentrum des christlichen Glaubens hineinsetzt.

domradio.de: Dann hat diese Blasphemie im Theaterstück doch genau das getroffen, was Sie aus der Kreuzigungsszene beschreiben, nämlich dass dort die Blasphemie zuhause ist: das Misstrauen der Menschen...

Breulmann: Das glaube ich auch. Ja, ich glaube, dass dieses Stück dadurch natürlich auch provoziert hat. Es hat auch drastische Züge gehabt: Unser Fleischkonsum, auf 20.000 Hamburgerbrötchen spielte das Ganze. Da kann man auch Fragen an die Ästhetik des Stückes haben.

domradio.de: Also die Konsumgesellschaft wurde auch in dem Stück gekreuzigt?

Breulmann: Absolut. Sie wurde zum Thema und hat aufgerüttelt in ihrer Drastik. Da ist natürlich die Frage: Lässt das den Zuschauern noch die Möglichkeit, sich in gutem Sinne auch davon zu distanzieren? Oder sind diese drastischen Bilder auch gleichsam Verführungen, diesem Faszinosum im Ekel zu verfallen?

domradio.de: Kann durch eine solche Darstellung auch religiöse Toleranz geschaffen werden?

Breulmann: Zumindest in der Kombination dieses ersten Teils mit dem Haydnstück hat es sicher auch, wie ich auch von Leuten, die es gesehen haben, gehört habe, eine tiefe, auch geistliche Nachdenklichkeit hervorgerufen. Und da bekam eben auch die Verknappung auf die sieben letzten Worte Jesu, die dann im Kontext des Haydnstückes von diesem Pianisten gespielt wurden, eine völlig andere Dimension, eine andere Zärtlichkeit und eine andere Intensität. Und davon hat das Stück letztlich gelebt.

domradio.de: Wie weit darf Kunst grundsätzlich gehen: Darf sie religiöse Grenzen verletzen?

Breulmann: Das ist ein weites Feld. Die blasphemische Rede hängt natürlich auch mit der Religionsfreiheit zusammen. Wir können nicht beides haben. Da wäre ich sehr vorsichtig. Es gibt Verletzungen des Menschen. Aber der liebe Gott wird das aushalten.

Das Gespräch führte Monika Weiß.