Christen in Pakistan kämpfen für Toleranz

Der Mord an Shahbaz Bhatti und seine Folgen

Als Shahbaz Bhatti Anfang März 2011 auf offener Straße ermordet wurde, war er Minister für Minderheiten und einziger Christ in der Regierung Pakistans. Sein Tod schockierte die Welt. Doch angeklagt wurde bisher niemand. Sein Bruder setzt sich seit der Tat für die Rechte der Minderheiten in dem islamischen Staat ein.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Vor einigen Tagen versprach Pakistans Innenminister Rehman Malik, die Mörder Bhattis nun rasch vor Gericht zu stellen, die angeblich nach Dubai geflohen sind. Doch bislang geschah nichts. Kaum jemand hat Zweifel, dass die Tat politisch motiviert war. Der 42-jährige Katholik hatte sich für die Abschaffung des umstrittenen Blasphemie-Gesetzes eingesetzt, das auch die Todesstrafe vorsieht. Damit zog er sich den Hass der radikalen Islamisten zu.



Doch im August kamen die Ermittler zu dem überraschenden Schluß, dass Bhatti wegen eines Grundstücksstreits unter Verwandten erschossen worden sei - und dies, obwohl die radikalislamischen Taliban sich offen zu der Tat bekannt hatten. Inzwischen scheint man allerdings die Mörder wieder im islamistischen Umfeld zu suchen. Laut Innenminister Malik sollen die beiden Täter der verbotenen Organisation Sipah-e-Sahaba angehören.



Der Bruder des Ermordeten sieht den Realitäten ins Auge: "Ich kann mich nicht darauf konzentrieren, die Mörder zu finden", sagt Paul Bhatti. "Es ist nur Zeitverschwendung". Auch er geht weiter davon aus, dass "religiöse Organisationen" hinter der Tat stehen, die die Mörder seines Bruders bezahlt haben. "Die Rache wird sein, seine Mission weiterzuführen", sagt Bhatti. Und erweist auf andere spektakuläre Mordfälle in Pakistan, wie das Attentat auf die frühere Regierungschefin Benazir Bhutto, die ebenfalls nicht aufgeklärt wurden.



Über Nacht ein neues Leben

Paul Bhatti ist Kinderarzt. Der 55-jährige lebte seit Jahren mit eigener Praxis in Italien. Über Nacht gab er seine Arbeit dort auf, um in Pakistan das Werk seines Bruders weiterzuführen. Jetzt sitzt er an dessen Schreibtisch in Islamabad. "Ich kann nicht einfach davonlaufen", sagt er. "Es gibt viele gute Ärzte in Italien. Aber hier werde ich gebraucht."



Paul Bhatti ist vorsichtiger als sein Bruder. Anders als Shahbaz drängt er nicht offen auf eine Änderung des Gesetzes, auch wenn sich jüngst Verurteilungen und Festnahmen wegen Gotteslästerung häufen. Der spektatulärste Fall ist Asia Bibi, die 46-jährige Christin, die im November 2010 wegen Blasphemie-Verdacht zum Tod am Galgen verurteilt wurde. Die fünffache Mutter sitzt weiter in der Todeszelle.



Berater für die Belange der Minderheiten

Bei seiner Arbeit hält sich Bhatti bedeckt. Er ist auch kein Minister mehr wie sein Bruder, sondern offiziell nur der Berater für die Belange der Minderheiten von Premierminister Yousuf Raza Gilani. "Auch wenn wir das Gesetz ändern, wenn die Haltung die gleiche bleibt, dann können wir nicht viel tun," kommentiert er zurückhaltend. "Unsere Regierung tut ihr bestes", sagt er. Doch er muss eingestehen, dass sich die Situation in Pakistan verschlechtert - auch für religiöse Minderheiten.



Der Gefahren ist sich Paul Bhatti bewusst. "Ich kann getötet werden, und ich will mein Leben nicht verlieren", sagt er trocken. Auch sein Bruder Shahbaz kannte sein Risiko. Islamische Geistliche hatten eine Fatwa, einen religiösen Bannspruch, gegen den Politiker erlassen und Muslime aufgefordert, ihn zu enthaupten. Doch das hatte Shahbaz nicht stoppen können. "Wir müssen gegen diese terroristischen Kräfte kämpfen, weil sie das Land terrorisieren", sagte er trotzig. Kurz zuvor war ein anderer prominenter islamischer Politiker und Gegner des Blasphemie-Gesetzes, Salman Taseer, in Islamabad von seinem eigenen Leibwächter erschossen worden.