Kirchenrätin zur Teilnahme an Heilig-Rock-Wallfahrt

Keine gemeinsame Textilie, aber gemeinsame Feier

Trotz Luthers Abneigung gegenüber Reliquien beteiligt sich die evangelische Kirche an der Heilig-Rock-Wallfahrt. "In der Mitte der Wallfahrt steht nicht eine Textilie, sondern in der Mitte der Wallfahrt steht Jesus Christus", erklärt Oberkirchenrätin Barbara Rudolph. Kleine Gemeinden seien dankbar für die ökumenische Arbeit, andere kritisierten: "Das ist nicht evangelische Tradition".

 (DR)

domradio.de: Es gibt ein derbes Zitat von Martin Luther, der nannte die Heilig-Rock-Wallfahrt "die Bescheißerei zu Trier".  Warum war Luther so ein Wallfahrtsgegner?

Oberkirchenrätin Barbara Rudolph: Dieses Zitat von Luther habe ich übrigens von katholischen Freunden aus Trier gehört, ich selber kannte es gar nicht. Er hat diese Äußerung getan, nachdem Papst Leo X. die Echtheit des Heiligen Rockes mit einer Bulle bestätigt hatte und darüber hat sich Luther furchtbar aufgeregt. Er hat die Wallfahrten und die Reliquien kritisiert, wenn von den Menschen ein Glaube abverlangt war, den sie selber so nicht teilen konnten. Das ist bei der Wallfahrt in Trier heute anders.



domradio.de: Früher hieß es, Protestanten beschäftigen sich mit dem Text und nicht mit Textilien. Vereinfacht gesagt, Reliquien spielen im evangelischen Glauben keine große Rolle, hat sich da etwas verändert? Ist das heute anders?

Rudolph: Nein, es bleibt dabei. Es hat sich bei den katholischen Feiern in der Wallfahrt etwas verändert. Schon Bischof Spital, aber jetzt auch Bischof Ackermann haben ganz deutlich hervorgehoben, in der Mitte der Wallfahrt steht nicht eine Textilie, sondern in der Mitte der Wallfahrt steht Jesus Christus und zu einer gemeinsamen Feier unseres gemeinsamen Herrn Jesus Christus hat Bischof Ackermann uns eingeladen und deshalb sind wir auch gerne auf diese Einladung eingegangen.



domradio.de: Das heißt, es geht überhaupt nicht um die Echtheit von Stofffragmenten?

Rudolph: Nein, auch viele katholische Christen hätten damit große Schwierigkeiten, darum geht es gar nicht, das betont Bischof Ackermann auch. Der Bischof sagt, es ist wie ein Hinweis, ein Zeichen auf Jesus Christus und das können wir auch mit evangelischen Ohren gut hören.



domradio.de: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Präses Nikolaus Schneider, hat auf der Rheinischen Synode dazu ermuntert, an dieser Wallfahrt teilzunehmen, ist das eine neue Freude am Pilgern oder ist das eher ein freundschaftliches Zeichen in Richtung der Katholiken?

Rudolph: Das ist eine Reaktion auf die freundliche Einladung der Katholiken. Natürlich ist auch das Pilgern insgesamt etwas, was uns in diesen Tagen gut tut. Während es zu Luthers Zeiten die Menschen weg von Haus und Hof trieb und die Familien nicht mehr versorgt waren, ist es heute wirklich für viele von uns auch eine geistliche Haltung, das Leben zu entschleunigen, aber im Mittelpunkt steht, dass das katholische Bistum diese Wallfahrt nutzt, um ökumenische Arbeit im Hunsrück und in Trier zu machen und dem wollen wir uns gerne anschließen.



domradio.de: Sie sind an der Koordination beteiligt und zuständig für die protestantische Beteiligung, bekommen Sie mit, wie es um das Interesse besteht?

Rudolph: Ja und zwar von beiden Seiten. Wir hatten eine gute Diskussion und Debatte hier  auf der Landessynode und ich bekomme Briefe und Reaktionen von beiden Seiten. Viele kleine Diaspora-Gemeinden sind ganz dankbar dafür, dass die Wallfahrt ein Anlass ist, ökumenische Arbeit miteinander zu verbinden, aber es gibt auch sehr viele, die irritiert sind und die sagen, das ist nicht evangelische Tradition.     



Das Interview führte Dagmar Peters (domradio.de)