Gewalt in Nordafrika auch nach Umstürzen

Zum Beispiel Ägypten

Auch nach dem Sturz mehrerer nordafrikanischer Regierungen ist die Bevölkerung der Region laut Amnesty International weiter brutaler Gewalt ausgesetzt. In einigen Ländern habe sich sogar die Menschenrechtslage verschlechtert, sagt im domradio.de-Interview Ruth Jüttner, Amnesty-Expertin für den Mittleren Osten und Nordafrika

 (DR)

So hätten die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nach dem Rücktritt von Regierungschef Husni Mubarak sogar zugenommen, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Bericht der Organisation weiter. Und in Libyen scheine der regierende Übergangsrat nicht in der Lage, die Bevölkerung vor bewaffneten Rebellen zu schützen.



Die neuen Regierungen versuchten, sich vor den Reformen zu drücken, sagte die Amnesty-Expertin für den Nahen Osten und Nordafrika, Ruth Jüttner, in Berlin. Die Forderungen der Bevölkerung würden ignoriert oder mit Gewalt beantwortet. Am schlimmsten sei die Lage in Syrien. Mit gezielten Tötungen und Folter versuchten Militär und Geheimdienst seit Monaten den Protest niederzuschlagen. Bis Ende 2011 verzeichnete Amnesty mehr als 200 getötete Gefangene. Das sei selbst für syrische Verhältnisse extrem.



Appell an die Bundesregierung

Aber auch das Verhalten der Staatengemeinschaft kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Afrikanische Union, Arabische Liga und EU hätten sich oftmals widersprüchlich verhalten, sagte Jüttner: "Die Unterstützung für die Menschen im Mittleren Osten und Nordafrika ist uneinheitlich und unbeständig." Hoffnungsvoll stimme allerdings die Unerschütterlichkeit, mit der die Menschen in der Region für Würde und Gerechtigkeit kämpften.



Die Organisation forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf, sich bei seiner Reise nach Algerien, Libyen und Tunesien für die Menschenrechte einzusetzen. "Auch die deutsche Politik darf nicht wie in der Vergangenheit Regierungen unterstützen, die den Machterhalt über die Menschenrechte stellen", sagte Jüttner. Westerwelle befindet sich seit Samstag in der Region. Für Montag war in Tunesien unter anderem ein Treffen mit Staatspräsident Moncef Marzouki geplant.