Bundespräsident Wulff wird sich noch heute äußern

Signale aus Bellevue

Bundespräsident Christian Wulff will sich offenbar am Mittwochnachmittag gegenüber Medien zu den Vorwürfen gegen ihn äußern. Das Bundespräsidialamt kündigte am Mittag in Berlin an, es werde in Kürze dazu weitere Informationen geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich indes sicher, dass Wulff zu den Telefonaten mit Springer-Verantwortlichen Stellung nehmen werde, mit denen er offenbar eine kritische Berichterstattung verhindern wollte.

 (DR)

Dies teilte Vizeregierungssprecher Georg Streiter in Berlin mit. Streiter sagte weiter, Merkel habe volles Vertrauen, dass der Bundespräsident auch weiterhin alle anstehenden Fragen umfassend beantworten werde. Er wies zugleich darauf hin "jeder in der Politik" wisse, dass ein hohes Amt es mit sich bringen könne, erhöhter Aufmerksamkeit ausgesetzt zu sein: "Und das muss man auch ertragen."



Zu den Telefonaten Wulffs werde Merkel keine Stellung nehmen, da diese vertraulich seien, ergänzte Streiter. Er betonte jedoch, Wulff habe um Entschuldigung für Form und Inhalt dieser Telefonate gebeten und diese Entschuldigung sei auch angenommen worden.



Die meisten Kritiker von Bundespräsident Christian Wulff scheuen sich vor einer eindeutigen Rücktrittsforderung. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth erklärte am Mittwoch, Wulff müsse selbst wissen, ob er noch als Konsensfigur und Wertevermittler auftreten könne. Roth sagte der "Süddeutschen Zeitung", wenn Wulff die Affäre aussitzen wolle, werde er ein extrem schwacher Präsident sein. Auch werde dies nur möglich, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hand über ihn halte. Damit liege das Problem auch eher bei der CDU-Chefin. Sie habe aus der Präsidentenwahl 2010 eine Posten- und Machtfrage gemacht, statt den Konsens zu suchen. Also müsse Merkel sich nun zu den Vorgängen um ihren Wunschkandidaten äußern.



Der Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, sagte, der Bundespräsident müsse sich die Frage stellen, ob er sein Amt noch ausüben könne. Kubicki bezweifelte den Verbleib Wulffs im Amt. "Wenn die Kraft seiner Worte keine Wirkung mehr entfaltet, kann er sein Staatsamt nicht mehr ausüben", sagte Kubicki der "Passauer Neuen Presse". "Mit einer wirklich nachvollziehbaren öffentlichen Erklärung für seinen Versuch, Berichterstattung über den Privatkredit zu unterbinden, wird er die Situation vielleicht noch bereinigen können", sagte Kubicki. "Herr Wulff hat nicht mehr viel Zeit für eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen." Dafür blieben nur noch wenige Tage. Es gehe jetzt darum, dass das Amt des Bundespräsidenten nicht weiter beschädigt werde. Die Zustimmung zu Wulff nehme merklich ab.



Lengsfeld eröffnet die Nachfolgedebatte

Weniger umständlich äußerte sich indes die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. "Es braucht keine neue Enthüllung, um sicher zu sein, dass Wulff gehen muss", befand sie. "Unser Bundespräsident ist endgültig zur Witzfigur geworden", sagte die CDU-Politikerin der Onlineausgabe des Düsseldorfer "Handelblatts". Jede Stunde, die er sich länger an das Amt klammere, schade der demokratischen Kultur. SPD und Grüne sollten sich aktiv für Wulffs Ablösung einsetzen. Einen Nachfolgekandidaten für Wulff nannte sie auch. "Joachim Gauck kann dem Amt seine Würde zurückgeben", sagte Lengsfeld.



Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth zweifelte, dass die Regierungskoalition im Falle von Wulffs Rücktritt einen eigenen Nachfolger durchsetzen könnte. "Ob Schwarz-Gelb noch die Kraft und die notwendige Mehrheit hätte, einen neuen eigenen Kandidaten zu wählen, ist höchst ungewiss", sagte Langguth der "Passauer Neuen Presse". Wenn Wulff Bundespräsident bleibe, dann vor allem, weil Merkel es so wolle.



Kommunikationswissenschaftler: Keine Medienkampagne

Der Kommunikationswissenschaftler Klaus-Dieter Altmeppen sieht in der öffentliche Debatte um Bundespräsident Christian Wulff keine Medienkampagne. Wer von einer Medienhetze spreche, verkenne die eigentliche Ursache für die Diskussion, sagte der Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) am Mittwoch domradio.de. "Offensichtlich hat Herr Wulff einiges auf dem Kerbholz, sonst hätte er so nicht reagiert", sagte Altmeppen mit Blick auf die Interventionen des Bundespräsidenten beim Springer-Verlag.



Es sei sehr ungewöhnlich, dass ein Bundespräsident so massiv versuche zu intervenieren, erklärte der Professor weiter. Das Beispiel zeige zugleich, dass "das Thema Medienfreiheit von den Mächtigen gern zu eigenen Gunsten umgewendet wird". So würden Zeitungen wie "Bild" als Sprachrohr genutzt, wenn es darum gehe, eigene Ziele zu erreichen. Die Pflicht der Medien zur Recherche werde bei unangenehmen Themen gerne beiseitegeschoben. Dies gelte auch für Wulff.



Der Bundespräsident habe gerne über Medien wie die "Bild"-Zeitung einen hohen moralischen Anspruch erhoben, sei diesem aber nun selbst nicht gerecht geworden. "Der Hannoveraner-Duktus "Mit Bild, BAMS und Glotze - mehr braucht es nicht zum Regieren" hat offensichtlich abgefärbt", sagte Altmeppen mit Verweis auf ein Zitat des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Der Professor lehrt an der KU Journalistik und ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK).



Ex-Intendant Pleitgen: Wulff beschädigt Amt des Bundespräsidenten

Der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen wirft Bundespräsident Christian Wulff vor, er beschädige durch sein Verhalten in der Kreditaffäre das Amt des Staatsoberhauptes. "Nicht die Medien zeigen mangelnden Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, sondern Christian Wulff tut es", schreibt Pleitgen in einem Gast-Kommentar für die in Bielefeld erscheinende "Neue Westfälische" (Dienstagsausgabe). Wulff rücke nur scheibchenweise mit der Wahrheit heraus und füge dem Amt des Bundespräsidenten dadurch auf Dauer schweren Schaden zu.



Einen Rücktritt Wulffs hält Pleitgen aber nicht für zwingend. "Mit seiner bisherigen Agenda - Integration und Fürsorge für die Schwachen in unserer Gesellschaft - kann er immer noch eine erfolgreiche Amtszeit absolvieren", erklärte der frühere WDR-Intendant. Dafür müsse sich Wulff jedoch "endlich als ein souveräner Staatsmann erweisen, der seine Angelegenheiten so offen legt, dass nicht ständig neue, klebrige Nachrichten in die Öffentlichkeit dringen".



Falls Wulff zurücktreten sollte, rechnet Pleitgen nicht mit einer Staatskrise. Zur Begründung verweist er auf mögliche Nachfolger: "Mit Norbert Lammert oder Joachim Gauck stünden zwei exzellente Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zur Verfügung."



Die "Bild"-Zeitung hatte am Montag Presseberichte bestätigt, wonach Wulff versucht hat, eine kritische Berichterstattung über seine Kreditaffäre zu verhindern. In einer längeren Nachricht auf der Handy-Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann habe sich Wulff einen Tag vor der ersten Veröffentlichung empört über die Recherchen gezeigt und mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur gedroht.



Im Zentrum der Affäre steht ein Privatkredit von 500.000 Euro, den Wulff 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident von dem befreundeten Unternehmerpaar Egon und Edith Geerkens erhalten hatte. Am 22. Dezember hatte sich Wulff für "Irritationen" in der Kreditaffäre entschuldigt und von seinem Sprecher Olaf Glaeseker getrennt.