Die katholische Kirche im Jahr 2011

Ein Papstbesuch mit Folgen

Nach dem vom Missbrauchsskandal geprägten "schrecklichen Jahr 2010" hat die katholische Kirche in Deutschland 2011 Schritte unternommen, um aus der Krise zu kommen. Entschädigungen wurden gezahlt, Gesten der Reue gezeigt und Präventionsregeln verschärft. Doch gänzlich ist das Trauma noch nicht überwunden.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Ein Ereignis für die Geschichtsbücher war der Besuch von Papst Benedikt XVI. im September. Eine glänzende Rede im Bundestag, beeindruckende Gottesdienste in Berlin, Thüringen und Freiburg, ein Treffen mit Missbrauchsopfern - vor allem der Besuch des Kirchenoberhaupts an Wirkungsstätten Luthers in Erfurt und eine Rede im Freiburger Konzerthaus bieten noch lange Stoff zum Nachdenken.



Glatt verlief der Teil der Reise, der vorab das meiste Kopfzerbrechen bereitet hatte: die Treffen mit Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel sowie die Rede vor dem Bundestag, die manche Abgeordnete der Opposition boykottierten. Vor dem Parlament überraschte der Pontifex mit einer ausgefeilten Vorlesung über Grundlagen des Rechtsstaats.



In der Ökumene setzte Benedikt XVI. zunächst auf die Geste: Im Erfurter Augustinerkloster, wo Luther die Priesterweihe empfangen hatte, würdigte er die Gottessuche des späteren Reformators auf eine bislang von einem Papst noch nie gehörte Weise. Damit verband Benedikt XVI. allerdings eine Absage an eine Ökumene der Kompromisse.



Unmittelbare Folgen hatte die Rede des Papstes im Freiburger Konzerthaus. Was meint er mit "Entweltlichung"? Auch wenn Kirchensteuer und Staatsleistungen nicht direkt angesprochen wurden, begann doch eine Debatte darüber. Denn Teile von Grünen, Linken und SPD wollen die Stellung der Kirche in der Gesellschaft verändern.



Die Grünen beschlossen gerade, das kirchliche Arbeitsrecht zu kippen. Bei der Linken schaffte es der Laizismus ins Parteiprogramm. Und die Piratenpartei plädierte dafür, "finanzielle und strukturelle Privilegien für einzelne Glaubensgemeinschaften" abzuschaffen. In der SPD meldete sich eine Gruppe von Laizisten lautstark zu Wort. Sie fordert etwa die Entfernung aller religiösen Symbole aus Gerichten, Parlamenten und Behörden.



Linien der Freiburger Papstrede lassen sich bis zum Streit um "Weltbild" ziehen. Denn warum sollte die Kirche Eigentümer eines der größten Medienunternehmen sein, das zu allem Überfluss auch noch einen geringen Teil seines Umsatzes mit Erotikbüchern macht? Nach heftigem Druck beschlossen die Bischöfe im November, das Unternehmen mit fast 1,7 Milliarden Euro Jahresumsatz so schnell wie möglich loszuwerden.



Dialogprozess der Kirche

Ein anderes großes Thema sprach der Papst nur indirekt an - den Dialogprozess der Kirche nach dem Missbrauchsskandal. So warnte Benedikt XVI. davor, die Kirche als eine Organisation wie jede andere misszuverstehen. Bei der Begegnung mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) kritisierte er, die Kirche in Deutschland sei stark an Strukturen, lasse aber Glaubenseifer vermissen.



Allerdings hatte das Kirchenoberhaupt schon im August Rückendeckung für den Dialogprozess gegeben - bei einer Audienz mit mehreren deutschen Bischöfen. Der Auftakt des Dialogprozesses im Juli in Mannheim wurde - auch angesichts der Polarisierungen um das Reform-Memorandum von Theologieprofessoren und die Gegenerklärung "Petition pro Ecclesia" - als Erfolg bewertet. Er stelle eine "neue Kommunikationsfähigkeit" in der Kirche fest, sagte Zollitsch nach dem Treffen, an dem 300 Delegierte teilgenommen hatten. Am Ende wurden 39 Wünsche formuliert: vom Verlangen nach einer "Pastoral der Barmherzigkeit" bis zu einer Anerkennung von wiederverheirateten Geschiedenen.



Zum Thema Heimkinder wurde ein Forschungsprojekt der Uni Bochum abgeschlossen. In kirchlichen Kinderheimen in Westdeutschland habe es bis in die 70er Jahre große Missstände gegeben, hieß es im Mai. Im Juli machte der Bundestag den Weg frei für einen Fonds. Der Bundestag folgte mit dem Beschluss einer Empfehlung des Runden Tisches Heimerziehung, der im Auftrag des Parlaments die Geschichte der Heimerziehung in der frühen Bundesrepublik aufgearbeitet hatte. Mit den Zahlungen soll zum Beginn des Jahres begonnen werden. 100 Millionen Euro sind für direkte Hilfen vorgesehen, etwas für Therapien, 20 Millionen Euro für Rentennachzahlungen, finanziert je zu einem Drittel von Bund, Ländern und Kirchen.